Verhaltener Optimismus

RADSPORT Bei der WM in Richmond sehen die Zuschauer ein mitreißendes Frauen-Rennen. Dazu passt die Nachricht, das es eine neue Rennserie, die „Women’s World Tour“, geben wird

Hoch auf den Libby Hill: das Peloton beim Rennen der Frauen Foto: dpa

aus Richmond Sebastian Moll

Trixi Worrack und Romy Kasper saßen an der Bordsteinkante auf der Broad Street von Richmond wie nach einer langen und bitteren Schlacht: Die Beine von sich gestreckt, ein dicker Film aus Schweiß und Straßendreck auf dem Gesicht, den Kopf gesenkt, zu müde, um auch nur an der Flasche mit ihrem Getränk zu nippen. „Das war brutal“, vermochte Worrack, die 35 Jahre alte Kapitänin der deutschen Rad-Nationalmannschaft gerade so eben hervorzubringen.

In der Tat hatten die weltbesten Radfahrerinnen auf den Straßen von Richmond eine heiße Show abgeliefert bei ihrem WM-Rennen – einen aggressiven 100-Kilometer-Ritt mit unerbittlichen, pausenlosen Attacken, bei dem keine der Frauen der anderen auch nur einen Zentimeter Straße gönnte. Wer noch immer behauptet, Frauen-Radsport sei gegenüber den Profirennen der Männer unattraktiv, der wurde in Richmond eines Besseren belehrt.

Leider konnten die deutschen Frauen am Ende nicht die Früchte ihrer Arbeit ernten. Trixi Worrack kam als Zwölfte ins Ziel, neun Sekunden hinter der Siegerin Lizzy Armitstead aus England; die Bronzemedaillengewinnerin im Zeitfahren, Lisa Brennauer, landete noch weiter hinten. Doch die Ergebnisliste spiegelte nicht wider, wie die deutschen Frauen sich an diesem verhangenen Tag in Virginia geschlagen hatten.

Vier Stunden lang parierten sie jede der zahllosen Angriffe, mehr als einmal führte Worrack das Feld in den steilen Kopfsteinpflaster-Anstieg Libby Hill, an dem Tausende von Radsportenthusiasten die Frauen anfeuerten. Und auf den letzten 25 Kilometern kämpfte Kasper in einer Fluchtgruppe erbittert um eine Sprintchance für das deutsche Team. „Wir haben uns absolut nichts vorzuwerfen“, sagte deshalb Kasper.

Das hatten auch die anderen der 137 Starterinnen in Richmond nicht, sie nutzten die Gelegenheit, um Werbung für ihren noch immer unterrepräsentierten Sport zu machen. Die Weltmeisterschaften wurden live vom Olympia-Sender NBC und seinem Tochternetzwerk Universalsports übertragen – eine absolute Seltenheit im Frauenradsport. Anders als ihre männliche Kollegen müssen die Frauen um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit hart kämpfen. Selbst Spitzenrennen wie der Giro d’Italia der Frauen ist nirgendwo im Fernsehen zu sehen, das Sponsoreninteresse entsprechend gering. Dabei hat der Frauenradsport, wie in Richmond zu sehen war, viel zu bieten. „Ich war schon immer der Meinung, dass die Frauen nur eine Gelegenheit brauchen zu zeigen, was sie können“, sagte Jim Miller, Sportdirektor des Radsportverbandes USA Cycling. „Wer die Frauen zu sehen bekommt, der merkt sofort, dass die Rennen genauso spannend sind wie die der Männer.“

Immerhin gibt sich der Weltradsportverband UCI unter seinem neuen Präsident Brian Cookson alle Mühe, die Situation der Frauen zu verbessern. In den letzten zwei Jahren wird damit experimentiert, Frauenrennen an die Männerrennen zu koppeln, wenn Medien und Zuschauer ohnehin schon da sind. Und in Richmond hat Cookson ein neues Konzept für die Zukunft des Frauenradsports vor gestellt. Ab dem Olympiajahr 2016 soll es eine „Women’s World Tour“ geben, eine Profirennserie mit 35 Rennen, die zentral vermarktet wird. „Das Wichtigste im Augenblick ist es“, sagte Cookson, „gute Bedingungen für Wachstum zu schaffen.“

Die Sportlerinnen, die sich in der Vergangenheit über die Vernachlässigung durch den Verband beklagt haben, sind verhalten optimistisch. „Ich denke, dass das ein guter Schritt vorwärts ist“, sagte Weltmeisterin Lizzy Armitstead. Die Probleme, wie etwa die Hungergehälter, sind damit jedoch noch lange nicht gelöst.