EU-Kommission steigt gegen Vattenfall in den Ring

BRÜSSEL taz | Der Rechtsstreit Vattenfall gegen Deutschland erregt seit Jahren die Gemüter: Darf ein Unternehmen vor ­einem US-Gericht klagen, weil ihm eine Gesetzesänderung, in diesem Fall der Atomausstieg, nicht passt? Nein, sagt die Bundesregierung – und bekommt nun Rückendeckung aus Brüssel: Die EU-Kommission ist dem milliardenschweren Rechtsstreit beigetreten und will sich dabei offenbar auf die Seite Deutschlands schlagen.

Offiziell hält sich die EU-Behörde zwar noch bedeckt; eine Nachfrage der taz blieb zunächst unbeantwortet. Doch laut Süddeutscher Zeitung hat die Kommission rechtliche Bedenken gegen die Vattenfall-Klage. Es sei nicht mit EU-Recht vereinbar, dass ein Unternehmen aus einem EU-Land (Schweden) vor einem US-Gericht gegen ein anderes EU-Land (Deutschland) klagt.

Diese Einschätzung birgt politischen Sprengstoff. Denn die USA und die Europäische Union verhandeln unter Hochdruck über das Freihandelsabkommen TTIP, das auch die Klagemöglichkeiten von Konzernen regeln soll. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat gerade einen Entwurf vorgelegt, mit der sie die bisher üblichen privaten Schiedsgerichte (ISDS) durch einen öffentlichen Gerichtshof ersetzen will.

Ein Veto aus Brüssel in der Causa Vattenfall würde zur neuen Linie der Kommission passen. Es dürfte aber die Amerikaner vor den Kopf stoßen, die sich gegen die Abschaffung der privaten Schiedsgerichte wehren. Die US-Handelskammer nannte den Malmström-Entwurf „äußerst mangelhaft“ und kündigte Widerstand an. Die Vattenfall-Klage, bei der es um Schadenersatzforderungen von 4,7 Milliarden Euro geht, könnte nun zur Nagelprobe werden.

Die Grünen im Bundestag sehen sich bereits bestätigt. Sie hatten die Bundesregierung in einer schriftlichen Anfrage nach der Position der EU-Kommission befragt. „In puncto TTIP lehrt die Klage: Ein Abkommen, das europäische Standards und Gesetze aushebelt, ist nicht akzeptabel“, betont Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Fraktion. Vattenfall habe jahrelang mit Atom und Kohle auf ein falsches Geschäftsmodell gesetzt und müsse nun einlenken.

Eric Bonse