LeserInnenbriefe
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Feiner, wichtiger Unterschied

betr.: „Asylstandards sind nicht zu halten“, taz vom 21. 9. 15

In ihrer Eingangsfrage zum Interview mit Boris Palmer zitieren Sie Art. 16 a GG: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Was allerdings im nächsten Absatz des Gesetzestextes steht, bleibt unerwähnt. Dort ist definiert, wer nicht (!) Anspruch auf Asyl hat: nämlich alle, die aus einem Land der EU einreisen oder aus einem Drittstaat, in dem die Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt sind. Bei diesem Passus handelt es sich um die berühmte Verschärfung des Asylrechts, wie sie in den 90er Jahren beschlossen wurde. Darüber hinaus ist der Terminus „politisch verfolgt“ nach Auslegung des Bundesverfassungsgerichts so zu interpretieren, dass allgemeine Notsituationen wie Armut, aber auch Bürgerkrieg oder Naturkatastrophen keinen Anerkennungsgrund darstellen.

Wenn also im Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingskrise über eine Verschärfung des Asylrechts diskutiert wird, ist das eine Scheindebatte und eine Täuschung der Öffentlichkeit. Denn die Staatsorgane müssten theoretisch nur die bestehenden Gesetze anwenden, und man könnte fast alle Syrer wieder zurückschicken. Die meisten Flüchtlinge aus Syrien haben de facto gar keinen Anspruch auf Asyl, weil sie nach deutschem Recht gar nicht „politisch verfolgt“ sind. Hierüber herrscht auch bei vielen deutschen Politikern eine große Verwirrung. Zumal dann, wenn zum Beispiel gefordert wird, dass „Kriegsflüchtlinge“ kein „Asyl“ erhalten sollten, wenn sie sich schon vor der Flucht nach Deutschland in einem Nachbarland Syriens in Sicherheit befunden haben u. ä. Es wird also gar nicht verstanden, auf welcher Grundlage diese Flüchtlinge überhaupt bei uns sind. Denn die Aufnahme erfolgt gar nicht per Asylrecht, sondern basierend auf der Genfer Flüchtlingskonvention nach §§ 22 bis 26 des Aufenthaltsgesetzes im Ausländerrecht „aus humanitären Gründen“. Der feine, aber wichtige Unterschied: Die Aufnahme ist eine politischen Ermessensentscheidung und geschieht nicht auf der Grundlage eines einklagbaren juristischen Anspruchs.

Ich weiß nicht, warum in der augenblicklichen Debatte dieser Sachverhalt nicht benannt wird. Manchmal entsteht der Eindruck, dass auch die verantwortlichen Politiker kein Interesse haben, Asyltitel und Flüchtlingstitel auseinanderzuhalten. Dabei steckt darin einige Brisanz. Denn was spricht dagegen, sich das ganze Asylanerkennungsverfahren für jeden einzelnen syrischen Flüchtling zu ersparen und den Kriegsflüchtlingstitel unmittelbar zusprechen? Praktisch passiert das ja bereits, wenn die Leute die Grenze überschreiten. Warum erspart man also dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht die ganze Arbeit? Man käme mit den Integrationsmaßnahmen schneller voran. HARTMUT GRAF, Hamburg

Wie Doping im Sport

betr.: „VW-Skandal“, taz vom 23. 9. 15

Die Machenschaften von VW sind wie Doping im Sport. Realisten rechnen damit. Die Frage ist nicht, „ob“, sondern „wer“ und „wann“. EVI MEISBERGER, Völklingen

„Wohlstandschauvinismus“

betr.: „Super-GAU für Deutschlands Industrie“, taz vom 23. 9. 15

„Wir“ müssen Exportweltmeister bleiben, weil sonst der soziale Frieden in Deutschland gefährdet ist? Ich reibe mir die Augen bei solch einem Kommentar. Sind all die sozialen Verwerfungen vergessen, die die deutsche Exportdominanz in Europa verursacht? Ist die Autoindustrie plötzlich kein Klimakiller mehr und die Nutzung fossiler Energie kein Problem? Richard Rother schreibt: „Denn die Ausfuhren der deutschen Industrie sind die Basis für den verbreiteten Wohlstand in Deutschland.“ So unkritisch betrachtet nennt man das „Wohlstandsschauvinismus“. Oder ist der jetzt okay, weil wir ja so viele Flüchtlinge aufnehmen? Ich hoffe, dieser Beitrag bleibt ein Ausrutscher. ACHIM HEIER, Bremen