Deutschland

Sind Grenzkontrollen ein Schritt zur Normalität?
Oder war der Sonntag ein rabenschwarzer Tag?

„Grenzkontrollen sind nötig, um zu erfassen, wer kommt“

Länder Rot-Rot-Grün betreibt in Thüringen eine großzügige Flüchtlingspolitik, die Kontrollen hält Migrationsminister Lauinger (Grüne) dennoch für richtig

Dieter Lauinger

Foto: dpa

52, ist seit dem Regierungswechsel in Thüringen Minister für Migration und Justiz. Schon seit 2009 ist er Landessprecher der Thüringer Grünen.

taz: Herr Lauinger, sind die Kontrollen an der österreichischen Grenze nötig?

Dieter Lauinger: Nach den Ereignissen der letzten Woche würde ich sagen: Grenzkontrollen sind jetzt tatsächlich nötig, um zu erfassen, wer zu uns kommt. In der letzten Woche hat die Bundespolizei das wegen der Masse der ankommenden Menschen nicht mehr geschafft, so dass Flüchtlinge unkontrolliert und unregistriert nach Thüringen durchgeschickt wurden. Es ist aber sicherlich der falsche Weg, durch Grenzkontrollen Menschen abzuwehren und Flüchtlinge fernzuhalten. Im Übrigen wird dies auch nicht funktionieren.

Seit Sonntagabend kamen aber tatsächlich weniger Menschen in Deutschland an. Flüchtlingen und Beobachtern war zunächst nicht klar, welchen der beiden Zwecke die Grenzkon­trollen erfüllen sollen.

Das ging mir genauso. Ich hatte den Innenminister zunächst so verstanden, dass er den unregistrierten Zuzug nach Deutschland stoppen will. Hinterher hatte ich aber bei diversen Kommentaren den Eindruck, es gehe darum, Grenzen dichtzumachen. Das kann nicht der Sinn von Grenzkontrollen sein und es wäre in meinen Augen wesentlich besser gewesen, wenn die Bundesregierung den Zweck der Maßnahmen stärker kommuniziert hätte.

Wie lange sollten die Kontrollen anhalten?

Wenn die Bundespolizei wieder in der Lage ist, Flüchtlinge ordentlich zu registrieren, braucht es auch keine Grenzkontrollen mehr. Was es aber braucht, ist eine europäische Lösung.

Also bis die Bundespolizei mehr Personal bekommt oder die Zahl der Flüchtlinge sinkt? Das kann dauern.

Das ist Sache des Bundesinnenministers. Er muss sicherstellen, dass die Bundespolizei ihren Aufgaben nachkommt. Und er ist übrigens auch dafür zuständig, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge endlich ausreichend Mitarbeiter bekommt, um alle Asylverfahren zu bearbeiten. Hier muss die Bundesregierung ihre Hausaufgaben machen.

Bevor die Grenzkontrollen in Kraft traten, beklagten Länder und Kommunen, dass sie kaum mehr Platz für neue Flüchtlinge hätten. Galt das auch für Thüringen?

Wir haben noch am Wochenende selbständig Busse nach Bayern geschickt und 600 Menschen abgeholt. Das entspricht der Quote, die für Thüringen vorgesehen ist. Ich will nicht den Eindruck erwecken, unser Bundesland stemme das locker. So ist es nicht. Aber noch ist in diesem Land kein Notstand eingetreten.

Wann wäre Ihnen der Platz ausgegangen?

Das kann ich zahlenmäßig nicht festmachen. Aber wenn die Zahlen noch mal dramatisch gestiegen wären, hätten auch wir irgendwann eine Situation gehabt, in der wir eine adäquate Unterbringung kurzfristig nicht mehr hätten realisieren können.

Sie sind also froh über die Atempause?

Die Kontrollen schaffen uns zunächst auf jeden Fall die Möglichkeit, wieder Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen zu schaffen.

Interview Tobias Schulze