Integration an der Werkbank: ein Flüchtling beim Möbelbau in Berlin Foto: Christian Mang

Lehre, Kibbeh oder Big Mac

ARBEITSMARKT Viele Flüchtlinge machen bereits eine Lehre. Ein paar scheuen die langjährige Ausbildung. Einfache Hilfsjobs sind wegen des schnellen Gelds gefragt

von Barbara Dribbusch

Aus den bisherigen Erfahrungen mit Migrationen lässt sich einiges vorhersagen zum Thema Flüchtlinge und Arbeitsmarkt: Erstens brauchen die Zuwanderer längere Bildungsphasen, bis sie hier eine qualifizierte Arbeit aufnehmen können. Zweitens könnte sich hier auch eine neue Parallelökonomie entwickeln mit Dienstleistungsjobs ohne formale Ausbildung. Und drittens wird die Zahl der Arbeitslosen und Sozialleistungsbezieher unter den Flüchtlingen höher bleiben als unter der deutschen Bevölkerung.

Rund zwei Drittel der Flüchtlinge haben keine abgeschlossene Berufsausbildung, so Zahlen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Die allermeisten Flüchtlinge können kein oder kaum Deutsch. Die Hoffnungen ruhen daher vor allem auf der Bildung und Ausbildung jüngerer Flüchtlinge. Denn 60 Prozent der AsylbewerberInnen sind jünger als 25 Jahre.

Bayern hat schon mehrjährige Erfahrungen mit jungen unbegleiteten Flüchtlingen, die dort zwei Jahre lang an Berufsschulen in Vorbereitungsklassen Deutsch lernen und praktische berufliche Kenntnisse erwerben. Nach Abschluss der Vorbereitungsklassen können sie eine dreijährige Ausbildung anschließen.

Nach den ersten zwei Jahren in den speziellen Berufsschulklassen schaffen die meisten der Flüchtlinge den Hauptschulabschluss, sagt Werner Nagler, Lehrer am Berufsschulzentrum im bayerischen Schwandorf. Nur 30 bis 50 Prozent fangen danach tatsächlich eine betriebliche Ausbildung an. Ein Viertel der AbsolventInnen der Vorbereitungsklassen geht anschließend auf Berufsfach- oder andere weiterführende Schulen. Der Rest „arbeitet bei McDonalds oder in anderen Hilfstätigkeiten für 8,50 Euro die Stunde, um Geld zu verdienen“, so Nagler.

Eine dreijährige Lehre zu beginnen und durchzuhalten, ist gar nicht so einfach: Die Fachsprache, die in einer Berufsausbildung verlangt wird, stellt noch mal höhere Anforderungen an die Deutschkenntnisse. Manchen schreckt auch das niedrige Ausbildungsentgelt für Lehrlinge ab. Mit Vorbereitungsklasse und dreijähriger Lehre vergehen dann insgesamt fünf Jahre, in denen ein junger Flüchtling nicht nennenswert entlohnt wird. Daher bleibt auch kaum Geld, das er nach Hause schicken könnte. Auch Schulden bei einem Schleuser lassen sich damit nicht bezahlen.

Nach den Zahlen des IAB haben 13 Prozent der Flüchtlinge ein Hochschuldiplom aus der Heimat. Bei den Syrern liegt dieser Anteil noch höher. Doch ein hoher Abschluss aus der Heimat, etwa in einem geistes- oder sozialwissenschaftlichen Fach, hilft hier wenig, zumal gerade in akademischen Berufen perfekte Sprachkenntnisse in Sprache und Schrift erforderlich sind. Viele Flüchtlinge mit hohem Bildungsabschluss arbeiten daher am Ende doch in niedriger qualifizierten Tätigkeiten in Deutschland.

Der Bezug von Sozialleistungen ist verbreiteter als in der deutschen Bevölkerung. Laut einer IAB-Befragung von Zuwanderern, die in den letzten 20 Jahren als AsylbewerberInnen nach Deutschland kamen, sind 55 Prozent hier erwerbstätig, bei den Deutschen sind es drei Viertel. Die Asylbewerber werden sich erst „mittel- und langfristig“ in den Arbeitsmarkt integrieren, sagt IAB-Migrationsexperte Herbert Brücker.

In der Lehrzeit bleibt den Flüchtlingen kaum Geld, das sie nach Hause schicken könnten. Auch etwaige Schulden bei einem Schleuser können nicht beglichen werden

Die ersten Bilanzen sind daher mager: Am Modellprojekt „Early Intervention“ der Bundesagentur für Arbeit etwa nahmen seit Jahresbeginn 2014 rund 800 AsylbewerberInnen teil, davon wurden 46 Leute in einen Job vermittelt, 13 begannen eine Ausbildung. Die TeilnehmerInnen dieses Projekts „brauchen aufgrund ihrer persönlichen Situation einfach mehr Zeit, zum Beispiel weil sie traumatisiert sind oder die deutsche Sprache von Grund auf erlernen müssen“, sagt Susanne Eikemeier, Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit.

Gefragt sind Jobs, für die keine hervorragenden Deutschkenntnisse und keine formale Ausbildung erforderlich sind, also Hilfstätigkeiten in der Landwirtschaft, auf dem Bau, in Versandlagern, in der Gastronomie, der Pflege und im Bewachungsgewerbe. In den vergangenen vier Jahren wurden in Deutschland rund eine Millionen neuer Beschäftigungsverhältnisse für Ausländer geschaffen, die keine formale Ausbildung voraussetzen, so die IAB-Zahlen.

Die Migrantenmilieus in den Metropolen schaffen sich diese Jobs auch selbst, durch einen neuen Bedarf an Übersetzern, Kleinhandwerkern, Lebensmittelhändlern für Spezialitäten. Möglicherweise sprießen demnächst syrische Imbisse mit Kibbeh-Hackfleischbällchen, Minzjoghurt und Anistee aus dem Boden. Die neuen ethnischen Milieus werden auch Deutschland verändern.