Linke SPD-Wessis mit rechtem Ossi gestraft

Chaostage auch in der NRW-SPD: Während das Parteipräsidium in Düsseldorf Müntefering zurückholen wollte, wurden in Berlin Fakten geschaffen. SPD-Linke bekommen statt Sekretärin Nahles den ostdeutschen Realpolitiker Platzeck

DÜSSELDORF taz ■ Es war eine Abreise vom Düsseldorfer Debattierclub zum Berliner Entscheidungszirkel. NRW-SPD-Chef Jochen Dieckmann verließ am späten Dienstagnachmittag die Krisensitzung seines Parteipräsidiums und setzte sich in ein Taxi gen Flughafen. Am Abend wurde Dieckmann dann in Berlin gesehen, wo er über den neuen SPD-Vorsitzenden mitberaten durfte. Nachdem die NRW-SPD noch darüber gegrübelt hatte, ob der zurückgetretene Parteichef Franz Müntefering nicht doch zum Weitermachen überredet werden könnte, wurden in der Hauptstadt Fakten geschaffen. Der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck soll die SPD führen – die NRW-SPD kann diese Nominierung letztlich nur abnicken.

Das NRW-Präsidium hatte zuvor ohnehin genug mit sich selbst zu tun gehabt. Schließlich waren Franz Müntefering und sein Generalsekretärskandidat Kajo Wasserhövel nicht zuletzt am fehlenden Rückhalt aus ihrem eigenen Landesverband gescheitert (taz berichtete). „Es wurde sehr kritisch nach innen diskutiert“, sagte ein Teilnehmer der Düsseldorfer Sitzung zur taz. Doch habe Einmütigkeit bestanden, dass jetzt Schluss sein müsse mit der „Selbstbeschau“ in der Partei. „Die Menschen verstehen nicht, was wir veranstalten.“

Den Müntesturz abhaken und nach vorne schauen? An der Basis scheint dies nicht durchsetzbar. Die Internet-Initiative „Wir-wollen-Franz.de“ des Münsteraner SPD-Geschäftsführers Klaus Mertens hat über 6.000 Unterstützer für einen Amtsverbleib des Sauerländers mobilisiert. „Diese Seite richtet sich aber nicht gegen Platzeck“, so Mertens zur taz. Man sei gleichwohl froh, dass „der Franz“ als Vizekanzler und Arbeitsminister wohl weiter machen werde. Gleichwohl dürfte die interne Debatte im einstmals mächtigsten Landesverband weitergehen: Wie stark ist „Moderator“ Jochen Dieckmann als Chef der NRW-SPD? Gibt es noch eine Chance, die auseinanderstrebenden Flügel der Ex-Regierungspartei zusammenzubringen? Welchen Einfluss hat die NRW-SPD überhaupt noch in der Bundespartei? Nächste Gelegenheit für sozialdemokratische Reflexionen bietet ein „Zukunftskonvent“ der Landes-SPD am kommenden Samstag in Oberhausen.

Auch die NRW-Jungsozialisten wurden von den Berliner Ereignissen überrollt. In der vergangenen Woche hatte Landesjusochef Alexander Bercht mit anderen linken und zentristischen Politikern aus Nordrhein-Westfalen einen Aufruf zugunsten seiner Juso-Kollegin Andrea Nahles veröffentlicht. Nachdem der Nahles-Abstimmungssieg gegen Kajo Wasserhövel die SPD in eine schwere Krise gestürzt hatte, hielt der NRW-Parteinachwuchs zunächst an seiner Kandidatin fest. Nahles dürfe nicht als „Königsmörderin“ abgestempelt werden, sagte Bercht. Das deutliche Ergebnis für die Politikerin zeige, dass die Personalie „Unterstützung in großen Teilen der Partei“ habe.

Doch das ist seit gestern mehr als fraglich. Offenbar hat Nahles keinerlei Chancen mehr auf das einflussreiche Amt der Generalsekretärin – laut Agenturberichten soll sie mit einem Vize-Vorstandsposten abgefunden werden. Die Initiative aus NRW für einen linkeren Kurs der Bundespartei ist demnach zunächst gescheitert. Statt des NRW-Traditionsgenossen Franz Müntefering wird mit Platzeck zukünftig ein unideologischer Realpolitiker der SPD vorsitzen. Platzeck regiert in Potsdam gemeinsam mit dem stramm konservativen CDUler Jörg Schönbohm in einer großen Koalition. Die linken SPD-Wessis aus NRW sind demnächst mit einem rechten Ossi gestraft. MARTIN TEIGELER