Berliner Szenen
: Burgerwehr

Bekloppte Strategie

Warum isst er ausgerechnet bei der Konkurrenz?

Eigentlich möchte ich nur einen Burger essen. Als ich mich dem „Burgerwehr“ nähere, sehe ich ihn: den Mann, der ein Restaurant für Cajun-Küche neben unserem Haus betreibt.

Einige Monate nach dessen Eröffnung im Jahr 2012 hatte ich Melanie überredet, jenem Lokal einen Besuch abzustatten, weil mir der Besitzer, der tagaus, tagein stundenlang vor seiner Wirtschaft saß und auf Kunden wartete, leidtat.

Es hatte gut geschmeckt und ich hatte mich mit einem leichtsinnigen „Bis bald!“ von ihm verabschiedet. Seitdem hatte er mich stets gegrüßt, wenn ich an seinem Restaurant vorbeikam. Weil ich die Einlösung des Versprechens auf die lange Bank schob, wich das Hoffnungsvolle in seinem Blick nach und nach einem Ausdruck von Vorwurf. Irgendwann hatte er mich schließlich direkt angesprochen: „Na, wieder Appetit auf Cajun-Küche?“ Von da an habe ich immer einen anderen Heimweg genommen. Ich fühlte zwar mit ihm, wollte aber auch nicht exponiert allein in seinem Café sitzen, von allen Passanten angestarrt und für einen Freund des Hauses gehalten werden. Dank Melanie wusste ich, dass sein Geschäft schlecht lief. Nun drei Jahre später sehe ihn also wieder vor mir im „Burgerwehr“.

Warum isst er ausgerechnet bei der Konkurrenz? Sollte er das nicht besser zu Hause tun, um Geld zu sparen? Zumal er Burger selbst auf der Speisekarte hat? Zumindest früher. Man schläft doch auch nicht im Hotel, wenn man gegenüber eine Wohnung hat. Oder sitzt er hier, um allen, die ihn gemieden haben, ein schlechtes Gewissen zu machen. Das wird ihm die Kunden aber bestimmt nicht in die Arme treiben. Bekloppte Strategie!

Bei mir geht sie aber zumindest halb auf. Meine Angst vor dem Wiedersehen lässt mich umkehren. In der Samariterstraße gibt es noch einen Döner-Imbiss. Stephan Serin