„Extrem berührend“

KULTUR Die deutsch-französische Woche wird eröffnet und erinnert an die Anfänge der EU

■ 1973 auf La Réunion im Indischen Ozean geboren, ist bis 2014 Direktorin des Institut Français in Bremen. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über Ritter Lancelot.

taz: Wie ist es denn aus Ihrer Sicht gerade um die deutsch-französische Freundschaft bestellt, Frau Le Lan?

Nadège Le Lan: Ich glaube, dass sie wächst, das zeigt mir dieser 50. Jahrestag des Élysée-Vertrages. Die deutsch-französische Freundschaft erscheint inzwischen so selbstverständlich, dass man das Gefühl haben könnte, dass es nicht mehr nötig sei, daran zu arbeiten. Es kommen mehr und mehr Menschen zu mir, die Geschichten erzählen, die extrem berührend sind, und die mich daran erinnern, wie wichtig es ist, miteinander zu kooperieren. Ich selbst lebe seit fünf Jahren in Deutschland – und kannte das Land vorher gar nicht. In dieser Zeit habe ich viel gelernt: Wir sind einerseits zwar sehr ähnlich, andererseits aber auch sehr unterschiedlich, etwa wenn es um Zeit oder um Kritik geht. Deswegen kann es schnell zu Missverständnissen kommen.

Sie eröffnen am Sonntag eine Doppelausstellung über den Beginn der deutsch-französischen Freundschaft. Ist das nicht nur von historischem Interesse?

Ich hab mich das anfangs auch gefragt! Deswegen wollte ich etwas zeigen, was auch von sozialem Interesse ist, die Zivilgesellschaft betrifft. Und so haben wir jetzt Dokumente zum ersten Schüleraustausch zwischen Bremen und Frankreich von 1957. Als ich die erstmals sah, bekam ich Gänsehaut und musste weinen. Da habe ich wahrgenommen, was es hieß, ein Deutscher zu sein und in und nach Frankreich zu reisen – und umgekehrt.

Aber was haben uns Briefe von de Gaulle und Adenauer heute noch zu sagen?

Als Politiker haben sie geschafft, wovon sie als Menschen ihrer Zeit geträumt haben.

Die europäische Einigung war damals ein Projekt der Eliten, vielen Menschen war sie fremd – im Grunde bis heute.

Die Freizügigkeit der Menschen und der Euro sind hier ein gutes Beispiel für das Interesse der Zivilgesellschaft. Man muss sich fragen: Was hat mir eigentlich die europäische Einigung gebracht? Auch wenn es nicht jedem Menschen klar ist, wie die EU funktioniert, bin ich überzeugt davon, dass jeder alltäglich spüren kann, was für ein Fortschritt sie ist.  INT.: JAN ZIER

20. bis 29. Januar. Mehr Infos unter www.institutfrancais.de/bremen