Ende des Luxuslebens hinter Stacheldraht

Beim Sturm auf das kirgisische Gefangenenlager Moldawanka sterben mindestens vier Menschen. Der mächtige Drahtzieher der Meuterei sitzt jetzt im Staatssicherheitsgefängnis. Auf seinen Befehl hin kommt es auch in anderen Knästen zu Aufständen

AUS BISCHKEK MARCUS BENSMANN

Das kirgisische Tandem von Präsident Kurmanbek Bakijew und Premier Felix Kulow demonstriert nach dem Sturm auf das aufsässige Gefangenenlager Moldawanowka bei einer Pressekonferenz in Bischkek Einigkeit. „Die Zeiten von Aufständen und Demonstrationen sind vorbei“, sagt Bakijew.

Am Dienstag führte die Überführung des Inhaftierten Asis Batukajew und vier seiner Mitgefangenen aus dem unweit von Bischkek gelegenen kirgisischen Gefangenlager in das kirgisische Staatssicherheitsgefängnis zu einem landesweiten Aufstand in den übrigen Gefangenenlagern. Bei der Operation wurden nach offiziellen Angaben vier Inhaftierte getötet, der Direktor der kirgisischen Vollzugsbehörde Kabar Mukejew angeschossen.

Der kirgisische Ombudsmann Tursunbai Bakar Ulu geht von einer höheren Opferzahl aus. „Mir wurde bisher der Besuch der Lager verweigert“, sagt er. Bei dem Versuch am Dienstag, Batukajew zur Aufgabe zu überreden, hätte einer der Gefangenen im Lager das Feuer eröffnet, sagt der verletzte Mukejew. Nach der Ergreifung Batukajews brachte eine Durchsuchung des Lagers Schuss- und Stichwaffen sowie Drogen und Valuta zu Tage.

Am 20. Oktober war in dem Lager Moldawanka der Abgeordnete Tinitschbek Akmatbajew von Häftlingen erschossen worden. Zwei seiner Begleiter kamen ums Leben und der damalige Direktor der Gefängnisverwaltung erlag später seinen Verletzungen. Die Ermordung des Abgeordneten löste eine Krise aus. Der Bruder des Getöteten, Rizpek Akmatbajew, beschuldigte Premier Kulow, mit Batukajew den Mord geplant zu haben. Akmatbajew gilt ebenfalls als kriminelle Autorität und stritt sich mit Batukajew um die Vorherrschaft im Norden des Landes.

Nach der Ermordung seines Bruders hatten Rizpek Akmatbajew und 400 seiner Anhänger sechs Tage in Jurten und Zelten vor dem Parlament in Bischkek ausgeharrt und den Rücktritt Kulows verlangt. Erst ein Treffen mit dem Präsidenten führte dazu, dass die Männer in der letzten Woche ihre Proteste beendeten.

Bis zuletzt hatte es Bakajew vermieden, sich hinter seinen Premier zu stellen. Der stellvertretende US-Botschafter in Bischkek Don Lu zeigte sich verwundert, dass kriminelle Autoritäten ungehindert das Parlament bedrohen konnten.

Am Freitag hatten in Bischkek 1.000 Bürger gegen den wachsenden Einfluss der Kriminellen in Kirgisien demonstriert. Akmatbajew muss sich vor Gericht wegen mehrfachen Mordes verantworten. Das Verfahren begann letzten Freitag, wurde aber auf den 9. November vertagt.

Sein Gegner Batukajew soll den Mord an dem Abgeordneten geplant haben. Der 39-jährige Tschetschene gilt als „Dieb im Gesetz“ – ein Rang, der die höchste Stufe der Lagerhierarchie darstellt. Ihm sind die Gefangenen aller Lager in Kirgisien zur Gefolgschaft verpflichtet.

Nach der Erstürmung des Lagers berichtete der Direktor der Vollzugsbehörde, dass sich Batukajew im Gefangenlager eine 16- Zimmer-Wohnung mit Fernsehern und teuren Möbeln eingerichtet hätte. Kurz vor dem Schusswechsel befahl der mächtige Strafgefangene über Mobiltelefone den Insassen in den anderen Lagern, sich zu erheben. Einige der Gefangene hätten sich nach der Verhaftung Batukajews aus Protest mit Messern Wunden an Armen und Bäuchen beigebracht, berichten Inhaftierte via Mobiltelefon aus den Lagern.

Der Ombudsmann sieht die Gründe für die Lage in den Lagern in der korrupten Gefängnisverwaltung, Noch befinden sich die meisten Lager und Gefängnisse im Aufstand, der Direktor des kirgisischen Strafvollzugs ist sicher, dass sich die übrigen Insassen beruhigten, da die Macht des Anführers gebrochen sei.