Die Erfindung der Kindheit

HISTORIZITÄT Eine Oldenburger Ausstellung zeigt Kinderbilder von 1545 bis 2002

In der Epoche des Biedermeier wurde die Kindheit in ihrer heutigen Form erschaffen

Wie sich das Kindsein im Laufe der Jahrhunderte verändert hat, zeigt von Sonntag an eine Ausstellung im Oldenburger Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte. Neben Kinderporträts und Familiendarstellungen gehe es bei der Ausstellung um die Erziehung und die Spiele der Kinder, sagt Alice Anne Klaassen, die die Schau zusammengestellt hat. Gezeigt werden darum auch Kleidung, Kindermöbel und Spielzeug.

Bis zur Erfindung der Fotografie hätten sich nur der Adel und das reiche Bürgertum die Konterfeis ihrer Sprösslinge leisten können, sagt Klaassen. So wurden seit dem 15. Jahrhundert Kinderporträts in Auftrag gegeben, um den Nachwuchs standesgemäß zu präsentieren und früh verheiraten zu können.

Besonders im 16. und 17. Jahrhundert seien die Kinder als steife Miniaturpersönlichkeiten dargestellt worden, so die Ausstellungsmacherin. Dies werde beim ältesten Gemälde der Ausstellung deutlich, das der Florentiner Maler Francesco Salviati um 1545 bis 1550 malte: Es zeigt vermutlich den etwa zehnjährigen Garcia de’ Medici in einem edel gearbeiteten, dunklen Wams mit goldenen Knöpfen.

Im 18. Jahrhundert entwickelte sich dann eine differenziertere Sichtweise, Kinder wurden als Individuen mit Vorlieben und Abneigungen dargestellt. Der Typus des empfindsamen Porträts entstand in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als mit der Tagebuch-, Brief- und Romanliteratur die Betonung des Gefühls in Mode kam.

Die Fixierung auf die Familie im Biedermeier führte zur Erschaffung der Kindheit in der heutigen Form. Kindern gestand man nun ein eigenes Zimmer oder einen Spielbereich innerhalb des Wohnzimmers zu, ausgestattet mit geschlechtsspezifischen Spielzeugen. Es entstand Kinderbuchliteratur, die gleichermaßen zur Unterhaltung wie zur Belehrung diente.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten sozialkritischen Kinderbilder. So malte etwa Paula Modersohn-Becker (1876–1907) Worpsweder Bauernkinder. Das neueste Werk der Ausstellung ist von 2002 und stammt von dem amerikanischen Künstler Malcolm Morley. Es zeigt ein afghanisches Flüchtlingsmädchen vor einem leuchtend bunten Zelt.  (epd/taz)

„Kinderzeit – Kindheit von der Renaissance bis zur Moderne“, dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr