Klimaschutz Strategie der EU: weniger Emissionen, keine „Dekarbonisierung“
: Nur 85 Jahre – und Europa ist spitze

Berlin taz | Die EU geht mit einem relativ ehrgeizigen Mandat in die UN-Klimaverhandlungen von Paris, scheut aber vor dem zentralen Schlüsselwort zurück: Dekarbonisierung. Im Beschluss, den die Umweltminister der 28 EU-Staaten am Freitag in Brüssel fassten, bekennen sie sich nur zur „klimaneutralen und klimafesten“ Entwicklung.

Damit bleibt die EU auf Druck von Polen hinter den G-7-Staaten zurück, die auf dem Elmau-Gipfel vom Juni den Abschied von einer Wirtschaftsweise, die auf der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas beruht – die sogenannte Dekarbonisierung – bis zum Jahr 2100 beschlossen hatten. „Klimaneutral“ heißt dagegen, dass Emissionen weiter anfallen, aber etwa durch Aufforstung oder Speicherung von Kohlendioxid ausgeglichen werden sollen – ein Ausweg für die Kohleindustrie, etwa in Polen.

Die europäischen Vorgaben für die UN-Klimaverhandlungen von Paris im Dezember dieses Jahres sehen demnach so aus: Die EU bekräftigt ihre bisherigen Ziele, bis 2030 mindestens 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990 und bis zum Jahr 2050 sogar 80 bis 95 Prozent. Ab 2025 sollen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union alle fünf Jahre überprüfen, ob sie auf Kurs sind.

Bis 2100 soll die EU „klimaneutral“ sein, und in Paris sollen die Anpassung an den Klimawandel, Finanzhilfen und Schadensersatz für arme Länder „genauso dringend auf der Tagesordnung stehen wie Klimaschutz“, sagte EU-Klimakommissar Miguel Cañete. Er lobte den Kompromiss, mit dem nun alle 28 Länder „volle Unterstützung“ für die Klimapolitik zeigten. Die amtierende Ratspräsidentin, die luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschbourg, verteidigte den Begriff „klimaneutral“: Er bedeute sogar mehr als Dekarbonisierung, „weil er alle Emissionen einschließt“, also auch aus der Landwirtschaft oder dem Verkehr. „Das ist der größere Deal“, ist sich Dieschbourg sicher.

Dem kann Regine Günther, Klimaexpertin des Umweltverbands WWF, nicht zustimmen: Die EU-Reduktionsziele seien bereits bekannt, und die neue Bereitschaft zu den Überprüfungen alle fünf Jahre seien in der Tat ein Fortschritt. „Aber mit dem Verzicht auf den Begriff Dekarbonisierung fällt die EU hinter die G 7 zurück“, sagt Günther. „Führerschaft der EU sähe anders aus, dafür müsste sie auf den G-7-Beschluss etwas draufsetzen.“ Bernhard Pötter