Die Not der Flüchtlinge

die lage Große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung, unwillige PolitikerInnen, Pseudohilfe von der „Bild“, randalierende Rechte. Wie wird es weitergehen?

Vernetzt auf der Flucht: Handy aufladen am Wiener Hauptbahnhof Foto: reuters

Ein Hardliner

betr.: „Schäuble hilft den Populisten“, taz vom 16. 9. 15

Ulrike Herrmann schreibt zu Recht, dass Wolfgang Schäuble den Rechtspopulisten hilft. Das wundert mich nicht bei diesem Herrn. Er war schon immer ein Hardliner – sowohl als Innen- als auch als Finanzminister – und wird es immer bleiben.

Er macht es nicht auf die plumpe Art eines Seehofers. Nein, er agiert wie zu Zeiten Helmut Kohls aus dem Hintergrund, um damit nicht seine pseudoliberale Anhängerschaft zu vergraulen, aber um die sogenannte Mitte der Gesellschaft für sich und seine unchristliche Partei zu ge­winnen.

HEINZ SCHÖNBERGER, Kempten

Lümmelhaft

betr.: „Schäuble hilft den Populisten“, taz vom 16. 9. 15

Wenn man einmal den für Berlin veröffentlichten Betrag von 1.200 Euro im Monat zugrunde legt, den ein Flüchtling die Kommunen kosten würde, und dies mit der Zahl von 800.000 Flüchtlingen, welche dieses Jahr erwartet werden, verknüpft, ergeben sich Gesamtkosten in Höhe von 11,5 Milliarden Euro im Jahr. Demgegenüber sind die 3 Milliarden Euro, welche der Bund den Kommunen angeblich zahlen will, geradezu lächerlich und stellen eine Verhöhnung dar.

Darüber hinaus hatte sich der Finanzminister noch erdreistet, auf einschlägige Forderungen vonseiten der Kommunen nach mehr Geld zu entgegnen, sie sollten sich da mal „verbal zurückhalten“. Dergleichen ist an lümmelhafter Unverschämtheit wohl nicht mehr zu überbieten. HARTMUT WOHLER, Berlin

Welche Chance

betr.: „Schäuble hilft den Populisten“, taz vom 16. 9. 15

Wie recht sie hat, Ulrike Herrmann, danke! Vernagelten Buchhaltern im Altersstarrsinn vertrauen wir unsere (Finanz-)Politik offenbar lieber an als Menschen, die bereit sind, scheinbar neue Wege zu gehen. Willkommenskultur hat ja doch etwas mit positiven deutschen Erfahrungen als Einwanderungsland zu tun, und sie aus den sprudelnden Steuereinnahmen zu finanzieren macht Sinn, weil alle Einwanderungs- und Flüchtlingswellen nach (West-)Deutschland und die nachfolgende Integration der Neuankömmlinge dem Lande erhebliches Wirtschaftswachstum gebracht und die Steuereinnahmen erhöht haben: Polnische Arbeiter in den Kohlenpott, Vertriebene aus dem Osten nach dem Krieg, täglich Tausende vor dem Mauerbau 1961, unsere Gastarbeiter!

Was der Bund jetzt einsetzen muss, bekommt er durch wachsende Steuereinnahmen teils sofort, teils langfristig zurück. Und das Land gewinnt durch diesen Zuzug – langfristig auf jeden Fall! Welche Chance, unsere Städte und Altimmobilien des Bundes wie die Kasernen architektonisch umzuwandeln, sie menschenwürdig und freundlich zu gestalten. Nicht nur unser Baugewerbe wird dabei gewinnen. Was soll das Gejammer und der Blick auf die anderen EU-Staaten, denen wir zum Teil schon jede Bewegungsmöglichkeit durch unsere Schäuble-Politik genommen haben? Das ist veraltetes Denken. In Europa müssen und können wir vorangehen und dürfen dabei die Fluchtursachen nicht vergessen.

ERNST-FRIEDRICH HARMSEN, Berlin

Patriarchale Kiste

betr.: „Für einen neuen Patriotismus“, taz vom 14. 9. 15

Ich kann gut nachvollziehen, dass politisch Verantwortliche verunsichert sind von dieser unkalkulierbar um sich greifenden, von „Schwarm­emotionalität“ zeugenden Hilfswelle in der deutschen Bevölkerung. Und dass versucht wird, diese an den herrschenden politischen Strukturen vorbeifließende „Bewegung“ einzubinden. Aber warum mit Patriotismus, diesem Begriff aus der untersten patriarchalen Kiste?

Wenn Anjes Tjarks von den Menschen in unserem Deutschland ein neues Bekenntnis zu diesem Land fordert, dann muss er damit rechnen, in der Welle unterzugehen. Mit all den Kretschmanns, Schäubles, Merkels, Gabriels usw. Mit all der Politik, die 11 Billionen Euro Privatvermögen ermöglicht und gleichzeitig Harz IV installiert, die Bankenrettung und TTIP für notwendig hält, Altersarmut zementiert, ökonomische Benachteiligung von Frauen zulässt, Zweiklassenmedizin akzeptiert, die Waffenproduktion für die Welt für unerlässlich hält. Politik, die akzeptiert und fördert, dass wir BürgerInnen nur noch als KonsumentInnen wahrgenommen werden. Parteien, die von einer solchen Ökonomie gesponsert werden und sich wunderbar darin eingerichtet haben.

Vielleicht finden Sie die Unterstützer für ihren neuen Patriotismus bei den Flüchtlingen. Unter denjenigen, die der Lüge von der europäischen Wertegemeinschaft und politischen Solidarität aufgesessen sind. Einem Bild von Europa, das die Politik nicht aufhört zu verkünden. Diese Welle der Hilfsbereitschaft ist aus Ohnmacht über die Bilder von ertrunkenen Kindern, randalierenden Rechten und unwilligen PolitikerInnen entstanden, eine Solidarität mit den Menschen (und nicht mit den Banken) …ich bin gespannt, wohin sie schwappt.

KLAUS-PETER KLAUNER, Brühl

Zivilisierte „Bild“?

betr.: „Der kurze Sommer der Flüchtlingsliebe“, taz vom 15. 9. 15

Auweia, da hat Herr Bax der Bild aber zu viel des Guten zugeschanzt!

Die Bild habe „maßgeblichen Anteil“ am positiven Verhalten der Deutschen gegenüber Flüchtlingen gehabt, scheint mir etwas hochgegriffen. Wir sollten auch „nicht unterschätzen, welch zivilisierenden Einfluss die Bild-Zeitung […] auf die deutsche Asyldebatte gehabt“ habe.

Bitte, der Bild-Leser steht jetzt verallgemeinernd für den Deutschen? Ich hoffe doch nicht!

Ich habe keine Beweise, aber ich schätze die Mehrheit der Bild-Leser einfach nicht als kritische Leser ein, entschuldigt bitte! Wer sich seine Meinung „bild“en lässt, hat sein Unterscheidungsvermögen doch schon lange aufgegeben!

Zivilisierte Menschen verhalten sich zivilisiert – nicht aber der gemeine Bild-Leser.

Die Bild mag ja schnell auf diesen Zug aufgesprungen sein, doch Lokführer ist sie deshalb diesbezüglich lang noch nicht.

Daniel Bax, du nimmst der Bild das doch nicht ernstlich ab, wenn sie sich zivilisiert geriert, oder?

HENRYK TIETZ, Görlitz

Von Sinnen

betr.: „Flüchtlinge als Wirtschaftsfaktor: Sie steigern das Bruttosozialprodukt!“, taz.de vom 17. 9. 15

Stimme Ihnen zu, Herr Sinn ist wieder mal von Sinnen! Warum denn den Mindestlohn senken? Besser Spitzensteuersatz erhöhen, Erbschaftsteuersatz ebenso und verfassungskonforme Vermögenssteuer einführen. Am besten einen New Deal wie unter Roosevelt (www.taz.de/!5109265). Dann gibt es genug Geld für Integration und Ausbildung. Außerdem können dann auch endlich die fehlenden 15.000 offenen Stellen bei Steuerbeamten besetzt werden und endlich kann etwas gegen die Steuerflüchtlinge nach Luxemburg etc. unternommen werden. DANIEL NEUBURG, taz.de

Es wird keinen Zwang geben

betr.: „Fachkräfte, sofort!“, taz vom 12. 9. 15

Liebe Bettina Gaus,

leider sind Sie bei Ihrem Artikel von einer falschen Prämisse ausgegangen: Es wird keinen Zwang geben! Bedingung für den Einsatz von Langzeitarbeitslosen ist natürlich Freiwilligkeit, Eignung, Empathie, Motivation und Fachkenntnisse, die es natürlich auch bei diesen Menschen gibt. Minister Guntram Schneider hat dies ausführlich im WDR 5 berichtet.

Es ist doch allemal besser , eine gewollte und sinnvolle Arbeit zu haben als gar keine. ANGELA LINDEMANN, Hagen

Schublade auf

betr.: „Fachkräfte, sofort!“,taz vom 12. 9. 15

Schublade mit demEtikett „Langzeitarbeitslose“ auf – puh! Unter den Langzeitarbeitslosen gibt es auch Arbeitsscheue, jedoch auch Fachkräfte, gut Ausgebildete, Ältere, Handwerker, Akademiker und Ungelernte, die dennoch etwas können. Vielleicht können gerade Langzeitarbeitslose den Flüchtlingen vermitteln, wie sie mit der Bürokratie umgehen können und dass der Umgang Geduld und Nerven kostet. Die geforderten Fachkräfte sind offensichtlich in der benötigten Menge nicht vorhanden. Hier bietet sich vielleicht die einmalige Gelegenheit, in nicht kommerziellen Projekten, die der Staat finanziert, Fuß zu fassen, wieder einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen, das Gefühl zu bekommen, gebraucht zu werden und natürlich gerecht entlohnt und sozialversichert zu werden.

EVI MEISBERGER, Völklingen

Wohlfeile Parole

betr.: „Fachkräfte, sofort!“, taz vom 12. 9. 15

Die Forderung : „Fachkräfte, und zwar sofort“ ist wohlfeil und kein Beitrag zur Lösung der Probleme. Wo sollen sie denn herkommen auf die Schnelle, diese Fachkräfte? Überheblich abgebügelt wird auch die Frage, warum Syrer nicht auch Zuflucht finden zum Beispiel in den Golfstaaten. Frau Gaus sollte lieber versuchen, diese Frage ernsthaft zu beantworten, anstatt den Eindruck zu erwecken, die Syrer flüchteten aus der nationalen Diktatur in die „Freiheit des Westens“. Das ist keineswegs der Fall. Das Leben der Menschen ist von einem Bürgerkrieg bedroht und nicht von einer Diktatur. Die linkspopulistische Verklärung der Flüchtlinge zu freiheitsuchenden Demokraten mit westlichen Idealen wird noch zu viel Enttäuschung führen. Trotzdem muss allen Flüchtlingen geholfen werden.

WOLFANG RAPP, Bundenthal

Niemals mit den Springeristen

betr.: „Die ,Bild‘, die Bundesliga und Flüchtlinge. Engagement als gutes Geschäft “, taz.de vom 17. 9. 15

Es ist keine besondere Neuigkeit, dass die Bild-Zeitung seit Ewigkeiten im professionellen Fußball-Business als eine der wichtigsten Medienplattformen gilt. Bis hierhin kann man verstehen (wenn auch noch lange nicht billigen), dass Vereine Aktivitäten dieses Blattes mittragen, wenn und solange der Bereich „Fußball“ betroffen ist – etwa wenn Vereine mediale Sprachrohre brauchen, um Eigeninteressen zu ventilieren (man danke an Kostenrechnungen für öffentliche Sicherungsleistungen).

Was Vereine nie und niemals machen sollten, ist, sich für sonstige dubiose Zwecke der Bild-Zeitung beziehungsweise der Springeristen einspannen zu lassen. Sei es zu Werbemaßnahmen (wie hier) oder als Boulevardzulieferer oder zu bescheuerten Kampagnen.

Jeder ordentliche Fußball- oder Sportverein hat tausendmal höhere und bessere ethische Standards als dieses Drecksblatt – jeder Verein wird bei solchen Kooperationen in den Dreck gezogen. ajki, taz.de