LeserInnenbriefe
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Fatales Signal!

betr.: „Deutschland macht dicht“, taz vom 14. 9. 15

Wer keine gültigen Reisedokumente vorlegen kann, wird ab sofort an der österreichisch-deutschen und bald sicher auch an der tschechisch-deutschen Grenze an der Einreise in die BRD gehindert. Was für ein fatales Signal!

Was sagt dieses Land denjenigen Menschen, die es lebend in die Festung Europa geschafft und dabei alles verloren haben? „Ihr hattet nicht genug Geld, eine „geordnete und geregelte“ Reise nach Europa zu bezahlen, wahrscheinlich seid ihr nicht die benötigten hochqualifizierten und bildungsorientierten Kräfte, die unsere Wirtschaft braucht, euch wollen wir nicht.“ Jede sich auf die menschenrechtlichen Konventionen zum Umgang mit Flüchtenden berufende Solidarität wird damit aufgegeben.

Was sagt unsere Regierung denjenigen Menschen in München und anderswo, die in den vergangenen Wochen selbstlos und solidarisch staatliche Aufgaben im Ehrenamt oder durch Spenden übernommen haben?

Sie haben die Menschen gesehen, die unter Strapazen quer durch Europa gelaufen sind, haben ihren Hunger gestillt, sie mit dem Nötigsten versorgt und ihre Wunden behandelt. „Seht her, eure Freizeit und eure Arbeitskraft ist mehr wert als das Leid der Menschen, um die ihr euch jetzt kümmert. Wir gewinnen für euch eure Zeit zurück, wir geben euch eine Auszeit! Kümmert euch um euch selbst! Münchner, feiert erst mal das Oktoberfest, auf das die Wirtshäuser und großen Brauereien vom humanen Gesicht unserer Stadt ordentlich profitieren.“

Was sagt sie den ängstlichen und pöbelnden Minderheiten, die überall in unserer Republik und am liebsten in Internetforen ihren Hass gegen Fremde herausschrei(b)en und ihren Ärger über deren Mut, anderswo ein neues Leben anzufangen, anstatt verbittert „zu Hause“ zu resignieren? „Danke für eure stetige Mühe, wir brauchen eure Mahnungen und eure Stimmen.“

Und was hören unsere europäischen Nachbarn von der Regierung der BRD? „Eure Politik bildet den Ausgangspunkt für die kommenden europäischen Verhandlungen. Wir werden dort nicht als humanitäre Kraft und Vertreterin menschenrechtlicher Vereinbarungen auftreten, wir werden die Verantwortung für die Flüchtlingskrise als größte Nation in der Europäischen Union nicht länger übernehmen und euch damit zum Handeln zwingen. Wir bleiben die Sparer und Ordnungshüter auch sinnlos gewordener europäischer Vereinbarungen aus vergangenen Jahrzehnten.“

Dieses Signal ist rückwärtsgewandt und einfältig, es bricht mit einer politischen Perspektive für ein offeneres und gerechteres Europa. Es ist ein kurzes Auflodern der bundesdeutschen und europäischen Zivilgesellschaft, das wir seit ein paar Wochen beobachten können. Sie ist stärker in der Solidarität des Helfens als in der politischen Agitation. NICOLE PFAFF, Essen

Kriegstrommel geschlagen

betr.: „Der Kaffeehausminister“, taz vom 14. 9. 15

Immer wieder mal schlägt die taz die Kriegstrommel. Diesmal in Martin Reehs Kommentar. Der Autor bedauert heftig, dass de Maizière seinerzeit als Verteidigungsminister entschieden gegen ein militärisches Eingreifen im syrischen Bürgerkrieg war. Und behauptet kühn, Syrien sei „das Paradebeispiel dafür, zu welchen Katastrophen Nichteingreifen führen kann“. Was für ein hanebüchener Unsinn.

Mal ganz abgesehen davon, dass Reehs These, die Syrienkrise habe überhaupt nichts mit dem US-geführten Krieg gegen den Irak zu tun, äußerst fragwürdig ist: Von Anfang an wurde von außen unübersehbar in Syrien eingegriffen. Vonseiten der Türkei, Saudi-Arabiens, Katars beispielsweise; von den USA in Form massiver Unterstützung für sogenannte gemäßigte Rebellengruppen: von der EU und anderen mit den Sanktionen gegen Assads Regierung; hier und da auch mal von Israel mit Luftschlägen. Ist all das nicht schon Eingreifen genug?

Ist das militärische Eingreifen in Libyen mit seinen desaströsen Folgen nicht gerade schlagender Beweis dafür, wohin es führt, wenn man diesen Gewaltweg geht? Hat der mit wesentlicher deutscher Hilfe geführte Nato-Krieg gegen Serbien die Probleme auf dem Balkan gelöst? Oder nicht doch wieder ganz neue geschaffen? Und wenn wir schon dabei sind: Wie wäre es mit Eingreifen in der Ukraine? Oder im Jemen, um die Zivilbevölkerung vor saudischen Luft- und amerikanischen Drohnenangriffen zu schützen?

Ich finde, auch die taz macht sich mittlerweile die Sache mit dem Kriegführen zu leicht. HEIKO SCHLOTTKE, Trappenkamp

Elende Kleinbürger

betr.: „Deutschland macht dicht“, taz vom 14. 9. 15

Weitsichtige Außenpolitiker hätten diese Flut der Heimatvertriebenen kommen sehen können. Diese unbarmherzigen Stammtischpolitiker der CSU werden doch täglich durch die vielen helfenden Hände und Köpfe überstimmt. Eigentlich müssten wir Charterflüge mit Air Berlin, Condor und Turkish Airlines aus Hatay und Diyarbakır anbieten, das wäre für die Flüchtlinge auch sehr viel billiger, als bei den skrupellosen Schleusern einzuchecken und ihr letztes Geld an Mafiosi zu verteilen. Wir dürfen jetzt nicht vor den Hasspredigern aus de Mazières Stammland einknicken. Die dänische Regierung konnte die Blockade ihrer Grenzen auch nur kurze Zeit aufrechterhalten , sonst hätte die Solidaritätswelle der jungen Dänen sie hinweggespült.

DIETMAR RAUTER, Kronshagen