Testlauf für Olympia ohne Publikum

Probelauf Beim Alstercup der Ruderer und Kanuten beschwört das offizielle Hamburg den Geistvon Olympia. Das Ergebnis: Die Sportbegeisterung der Menschen lässt noch viel Luft nach oben

Olympia ruft und niemand merkt‘s. Der Himmel ist wolkenverhangen und kaum einer der Spaziergänger, die über den Jungfernstieg flanieren, riskiert mehr als einen kurzen Blick auf die Wasserfläche oder bleibt gar stehen, um sich die Wettkämpfe anzusehen. Zwei Tage lang mühen sich die Ruderer und Kanuten auf der Hamburger Binnenalster nach Kräften – und fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Das Event nennt sich Alstercup, ist sportlich am Ende der Saison von mittlerer Relevanz, aber ganz wichtig für das offizielle, das olympiabegeisterte Hamburg. Bürgermeister Olaf Scholz hat sich angesagt, seine grüne Stellvertreterin ­Katharina Fegebank ebenfalls und der für die Olympiabewerbung zuständige Sportstaatsrat – ein passionierter Surfer – steigt sogar für ein Promirennen ins Boot. Hamburg kann Sport, Hamburg kann Olympia, lautet die Botschaft. Interessiert leider niemanden, lautet die Realität.

Dabei müht sich der Moderator eines Hamburger Privatsender nach Kräften. Er schnappt sich jeden der aus diversen europäischen Ländern angereisten Wassersportler und hält ihm das Mikro vor die Nase. Der professionelle Plauderer befragt die Athleten nach Hamburg und den hiesigen Wettkampfbedingungen und lässt keinen von ihnen vom Haken, bevor er sich ein „fabulous“ oder ein „perfect“ abgerungen hat.

Als zwei Kanu-Polo-Juniorenmannschaften aus den Hamburger Stadtteilen Winterhude und Eppendorf gegeneinander antreten, darf der mehrfache Hinweis nicht fehlen, man werde den einen oder anderen der Halbwüchsigen bestimmt im Olympiateam 2024 hier in Hamburg wiedersehen. An nebensächlichen Details der Preisklasse, dass Kanu-Polo gar keine Olympische Sportart ist, mag sich hier niemanden ernsthaft stören. Das werde man bestimmt auch noch hinkriegen, wenn man Olympia erst mal in der Tasche hat, versichert der Präsident des Deutschen Kanuverbandes Thomas Konietzko.

„Sport begeistert Hamburg“ und „Hamburg 2024: Das gibt‘s nur einmal“, steht auf Bannern rund um die Binnenalster zu lesen. Beim Blick auf die leeren Ränge fällt einem unwillkürlich der Spruch „einmal ist keinmal“ ein. 50.000 Zuschauer, so steht es auf der Webseite des Veranstalters, hätten das Event im vergangenen Jahr besucht Der Verdacht drängt sich auf, alle über den Jungfernstieg Schlendernden sind damals mitgezählt worden – und werden es wohl auch diesmal wieder.

Immerhin gibt es auch etwas Sportliches zu vermerken: Dem Deutschland-Achter, Flagschiff des Deutschen Ruder Verbandes gelingt auf der Sprintstrecke sechs Tage nach seiner Niederlage bei der WM auf dem französischen Lac d‘Aiguebelette die Revanche gegen das Boot der USA.

Dass die geruderten 270 Meter keine Wettkampfdistanz sind und 1.000 Meter-Rennen auf der Binnenalster sowieso nur funktionieren, wenn die Boote statt geradeaus einen „Achterkurs“ fahren, fällt bei so einer perfekten und famosen Location selbstredend nicht ins Gewicht. Marco Carini