HARALD KELLER DER WOCHENENDKRIMI
: Willkommen in der Wirklichkeit

Na siehste. Geht doch. Auch in Deutschland entstehen ab und an gute Kriminalfilme, zumindest einmal im Jahr, wenn Regisseur und Autor Lars Becker eine neue „Nachtschicht“-Folge abliefert.

Auch der zehnte Beitrag zur Reihe mit dem Episodentitel „Geld regiert die Welt“ ist wieder richtig gut geraten und hebt sich wie stets vom Gros der Routinekrimis ab: Er hat eine schlüssige Handlung und lebendige Sprache, ist ungekünstelt, frei von Gewaltpornografie (nicht nur) skandinavischer Unart – und trotzdem spannend, weil Becker die nötigen Mittel beherrscht.

„Nachtschicht“ spielt zu nicht geringen Teilen im Hamburger Kiez. Wo man anderen Filmen sofort anmerkt, dass sich Autoren und Schauspieler Milieu und Sprache mühsam aneignen mussten, ist sich Becker seiner Sache sicher. Sein Film fährt buchstäblich mitten hinein ins Leben, mit einer geschmeidigen Kamerabewegung zu Beginn – ein Stück die Reeperbahn entlang, direkt ins trunkene Getümmel, wo gerade Hauptkommissar Erichsen (Armin Rohde) im Bunde mit zwei alten Kumpels Richtung 3,0 Promille strebt und die Rotlichtbars mal nicht aus dienstlichen Gründen aufsucht.

Eine pralle Figur, dieser Erichsen. Korrupt, selbstzerstörerisch, ausgebrannt. Die Szene, in der er mit vorgehaltener Waffe den Wirt einer Rocker-Kneipe zur Herausgabe eines weiteren Getränks zwingen will, aber vorher alkoholbedingt ins Koma kippt, möchte man als Endlosschleife auf der Festplatte haben. Wie überhaupt grimmiger Humor zu den Tugenden dieser Reihe gehört. Nicht aufgesetzte Witzeleien, sondern robuster, der Wirklichkeit abgelauschter Ordnungshüterhumor.

Hochfeuilletonsnobs wissen so was ja nicht, aber es gibt draußen in der Wirklichkeit Menschen, die reden so. Die begrüßen sich mit „Na, du Arschloch“ und sagen „Fuck“, wenn sie mal wieder einen herben Schlag abgekriegt haben. Also ziemlich oft.

„Nachtschicht – Geld regiert die Welt“; So., 21.45 Uhr, ZDFneo