BARBARA DRIBBUSCH ÜBER ZWANGSBEHANDLUNG IN DER PSYCHIATRIE
: Risiken und Nebenwirkungen

Psychisch Kranke dürfen, wenn sie in einer Klinik untergebracht sind und unter gesetzlicher Betreuung stehen, unter bestimmten Umständen auch gegen ihren Willen behandelt werden. Der Bundestag billigte jetzt mit großer Mehrheit ein entsprechendes Gesetz; der Bundesverband der Psychiatrie-Erfahrenen protestierte erwartungsgemäß.

Der Streit ruft alte Bilder auf, die aber den Blick auf die wirklichen Probleme verstellen. Auf diesen Bildern sieht man Psychiater im weißen Kittel, die Menschen in Ausnahmezuständen gegen ihren Willen fixieren und niederspritzen lassen. Auf der anderen Seite stehen die nach Zwangsbehandlung traumatisierten Patienten.

Das Gesetz sieht aber hohe Hürden für Eingriffe gegen den Patientenwillen vor. Eine Zwangsbehandlung darf nur angeordnet werden, wenn der sonst drohende gesundheitliche Schaden „erheblich“ ist. Der Nutzen muss mögliche „Beeinträchtigungen“ überwiegen. So ist es nicht ohne weiteres möglich, einen psychotischen Menschen gegen seinen Willen unter starke Medikamente zu setzen. Besonders Neuroleptika haben bekanntlich starke Nebenwirkungen. Liegt eine Patientenverfügung vor, die eine Behandlung mit bestimmten Medikamenten ausschließt, ist diese für die Klinik bindend.

Die gravierenderen Probleme in der Psychiatrie liegen woanders, als das Gesetz vermuten lässt. Sie betreffen die Kosten, die möglichst gering bleiben sollen. Eine Behandlung von Psychotikern fast ausschließlich mit Neuroleptika ist kürzer und weniger aufwendig als eine Therapie, die mehr Zuwendung erfordert. Wahnkranke bekommen trotz ihrer schweren Erkrankung oft weniger menschlich-therapeutische Zuwendung als Leute mit leichteren psychischen Störungen. Das Augenmerk sollte auch auf diesem Ungleichgewicht liegen.

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