LeserInnenbriefe
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Neue Bürgerbewegung?

betr.: „Kollateralerfolg für TTIP-Gegner“, taz vom 27. 8. 15

Kommt am 10. Oktober eine neue Bürgerbewegung, die alle Politiker vor sich hertreiben wird? Der entscheidende Punkt bei TTIP und Ceta ist die Menschheitsfrage der Globalisierung. Kann man den zerstörerischen Manchester Kapitalismus stoppen und die soziale Demokratie stärken? Eine Demonstration von über hunderttausend Teilnehmern bleibt nicht ohne Folgen.

JOHANNES SPARK, Bremen

Paralleljustiz

betr.: „Kollateralerfolg für TTIP-Gegner“, taz vom 27. 8. 15

Voraussetzungen für die Überflüssigkeit einer Paralleljustiz sind doch bestehende Rechtssystem in den Ländern der Vertragspartner.

Bei den USA, Kanada und allen Ländern Europas kann davon ausgegangen werden, dass das bestehende Rechtssystem rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt. Eine Privatgerichtsbarkeit ist hier kontraproduktiv. Ob die Rechtssysteme in allen Partnerländern Europas so vorhanden sind, müsste zuerst geklärt werden. NORBERT VOSS, Berlin

Kameras haben versagt

betr.: „Der Angriff im Thalys-Zug fordert eine neue Antwort“, taz vom 25. 8. 15

Nicht genug, dass Züge und Bahnsteige dicht sind mit Kameras: Soll es jetzt wirklich auch noch mit Metalldetektoren zur Sache gehen bei der Bahn? Und das, nur weil ein Mensch mutmaßlich falschen Glaubens mit Kalaschnikow und Messer rumgefuhrwerkt hat?

Selbst wer das in eine Reihe mit Charlie Hebdo stellen will: Wie viele Raubüberfälle mit Todesfolge hat es in dem halben Jahr seitdem gegeben, wie viele Menschen sind von Trittleitern gestürzt und daran gestorben, wie viele sind vom Baum erschlagen worden? Bei nichts davon sieht irgendwer eine „europäische Dimension“, obwohl jeder dieser Punkte tödlicher ist als „Terrorismus“. Und, puh, niemand will alle Bäume abhauen.

In dieser Situation befördert das Geschäft der Scharf- und Panikmacher schon, wer einfach nur den innenpolitischen Diskurs unkommentiert wiedergibt. Deshalb träume ich von einer taz, die das Gummiwort „Terrorismus“ nicht schreibt ohne den Hinweis: „Unter den Lebensrisiken in Westeuropa ist der sogenannte Terrorismus verschwindend, jedenfalls unter Abzug von Naziterror. Entspannt euch.“

Oh, und: Die Zillionen Kameras haben in der Thalys-Sache offenbar völlig versagt. Können wir die dann nicht allmählich wieder abhängen? MARKUS DEMLEITNER, Heidelberg

Man muss es nur wollen

betr.: „Der Sommer der Offenbarung“, taz vom 27. 8. 15

Da offenbart sich der Erfurter SPD-Chef Bausewein: ein Sparer an den Kindern. Jetzt, wo die Schule aller Orten wieder beginnt, könnte und sollte man einen neuen Weg gehen, nach dem Modell früherer Notzeiten bei mangelnden Räumen: zwei Schichten Unterricht – vormittags und nachmittags. In vielen mittelöstlichen und afrikanischen Staaten wie auch in Zentralasien ist das Standard. Und es wäre verwunderlich, wenn nicht unter den vielen Flüchtlingen auch Lehrer wären, die diese Kinder pädagogisch begleiten könnten, dazu hiesige Lehrer im Ruhestand, die aus der Erfahrung unmittelbar tätig werden können. Team-teaching wäre möglich!

So würden unsere Schulen auch am Nachmittag und Abend weiter zu lebendigen Orten des Wandels und der Möglichkeiten. Helfer, die den Putzkräften zuarbeiten, würden sich unter den Eltern der Kinder finden – man muss es nur wollen! ERNST-FRIEDRICH HARMSEN, Berlin

Der entscheidende Unterschied

betr.: „Mutti kommt zu Multikulti“, taz vom 26. 8. 15

Die Besuche der Kanzlerin in Duisburg-Marxloh und Heidenau zeigen eindrucksvoll den Unterschied zwischen den beiden Regionen. Ja, in beiden Orten gibt es Rechtsextreme die versuchen Probleme politisch auszunutzen und in beiden Orten sind die in der Mehrheit, die diese Rechten durchschauen und ablehnen. Den entscheidenden Unterschied machen aber die engagierten Bürger, die in Marxloh das Multikulturelle angenommen haben, zusammenleben und nicht müde werden, vorhandene große Probleme anzupacken, zu überwinden und gemeinsam das Zusammenleben, trotz vieler Rückschläge, zu verbessern.

Gemessen an Marxloh gibt es in Heidenau gar kein Problem. Ein Aufnahmelager für Flüchtlinge gut organisiert vom DRK reicht aus, dass der „normale Bürger“ ängstlich, neidisch, misstrauisch und behaftet mit allerlei Vorurteilen auf die rechtsextreme Propaganda hereinfällt. Die sonst übliche Passivität schlägt um in Aggression gegenüber denen da oben, und der Flüchtling vor Ort muss es ausbaden. Diese Passivität, dieses geringe positive Bürgerengagement und die kleinbürgerliche Denkweise die aus der DDR-Zeit vererbt worden ist, machen es Heidenau anscheinend so schwer, sich ein Beispiel am Bürgerengagement in Marxloh zu nehmen. MARKUS MEISTER, Kassel