Unterwegs

LITERATUR Stefan Ferdinand Etgetons Erstlingsroman „Rucksackkometen“

Jaja, Kometen- und Raketentitel sind hip, keine Frage. Aber so werden heute AutorInnen gemacht: Lektorin Soundso hört, dass Freund X von Freundin Y gerade ein Buch schreibt. Ist hier also wieder so ein Kumpel auf dem Buchmarkt untergekommen?

Bis weit in die Postpubertät hinein bewegt sich Stefan Ferdinand Etgetons Roman „Rucksackkometen“. Dessen Protagonisten Fiete und dessen Kumpel Jann Spiller lassen auf ihrem Europatrip natürlich auch die Besichtigung des Konzentrationslagers Auschwitz nicht aus. Schließlich ist das politische Bewusstsein nicht damit ausgeschöpft, am WG-Küchentisch den Arabischen Frühling auf Youtube zu verfolgen.

Durch unaufdringlich kommentierende Einwürfe verzichtet Etgeton, anders als die Schreibschulen der 1990er-Jahre, dabei auf eine ausschließlich auf Basis von Bildern funktionierende Ästhetik. Aber warum auch mit den Mitteln des Films einen dieser coolen, literarischen „Roadmovies“ medial crossen? Etgeton schreibt gnadenlos alles klein, damit den Sprachrausch nichts stört, man nicht an Großbuchstaben hängen bleibt wie an Ästen im Unterholz dieser rauschhaften Reise.

Der 2014 mit dem MDR-Literaturpreis ausgezeichnete Debütant spickt seinen flapsig-en­thusiastischen Jargon mit meist originellem, als Floskeln angewandtem Soziolekt, den eine ganze Generation als Stimme akzeptieren soll. Ständig spannen Fiete und sein Kumpel neue „assoziationszelte unter ihren schädeldecken auf“, „die murmeln in seinem kopf klackerten wild aneinander“, wiederholt wird hier „wortstaub mit zement angerührt“.

Der Sprachrausch des Autors verläuft wellenförmig zwischen Poesie und Blockade, überträgt sich auf die LeserIn, die ein Schaukeln spürt und sich vorbehaltlos den Ziellosen anvertraut, mit ihnen reist wie ein Fläschchen Flüssigkeit im Gepäck des Protagonisten.

Ein Roman wie Tribal House, dessen legerer, körperfreundlicher Rhythmus die Frage aufwirft: Wie kann es sein, dass immer wieder Bücher veröffentlicht werden von Leuten, die sich selbstgefällig in der Panade ihrer sie finanzierenden Eltern wälzen, gleichzeitig aber in die Fußstapfen von Jack Kerouac und „On the Road“ treten möchten?

Denn Kerouac war ein wirklicher Vagabund und Tagelöhner, der noch nichts von Couchsurfing und Crowdfunding wusste, dessen Not echt war, der hippieesk Sex noch als Freudenquell und nicht als kommerzielles Würzwürfelchen in einem Marketing-strategisch geplanten Buch unterbringen musste; dessen Coolness nicht stilisiert war, dessen Leiden existenziell. Etgeton promoviert lediglich darüber. Katja Lah

Stefan Ferdinand Etgeton: „Rucksackkometen“, Ch. Beck, 271 S., 19,95 Euro

Lesung bei der „Langen Nacht der Literatur“: Sa, 29.8., 19.30 Uhr, Buchhandlung Heymann, Osterstraße 134; www.langenachtderliteratur-hamburg.de