Stadtgespräch
: Kicken am Schabbat

Orthodoxe Juden wollen dem schändlichen treiben ein Ende setzen, notfalls per Gerichtsbeschluß

Susanne Knaul aus Jerusalem

Seit der Staatsgründung wird in Israel auch am Samstag Fußball gespielt, aber das soll anders werden. Ginge es nach einer Gruppe frommer Zweitligisten, darf der Schabbat nicht länger entweiht werden. Die Profikicker mit der Kippa zogen vor Gericht und bekamen Recht. Fußball ist für sie Arbeit, und arbeiten ist laut Halacha, dem jüdischen Recht, nicht erlaubt. Mit sofortiger Wirkung sollten sämtliche Spiele am siebenten Tag ausgesetzt werden.

Ofer Eini, Chef des nationalen Fußballverbands (IFA), kündigte einen Generalstreik an. Wenn die Fußballer nicht am Schabbat spielen dürften, würden sie es überhaupt nicht mehr tun. Eini ist erfahrener Gewerkschafter, der weiß, wie man Streiks organisiert. Oberstaatsanwalt Jehuda Weinstein lenkte ein und gab grünes Licht für die Spiele an diesem Wochenende. Ein Ausschuss unter Vorsitz von Kultur- und Sportministerin Miri Regev soll binnen 60 Tagen einen Kompromiss finden.

Eigentlich ist nicht die Sportministerin, sondern der Wirtschaftsminister zuständig, denn hier geht es um Arbeitsrecht. Dumm für die Fußballfans ist, dass gerade jetzt dieses Ministerium von dem ultraorthodoxen Schas-Politiker Arie Deri geleitet wird. Zu Deris Wählerklientel gehören nicht wenige, die die Spiele der Liga bislang regelmäßig verpassten, weil der Rabbi zum Gebet rief. Ein Anpfiff erst nach Sonnenuntergang macht wiederum dem jungen Publikum das Leben schwer, das am Sonntag in der Früh schon wieder in die Schule gehen muss.

Betroffen wären, sollte das Urteil umgesetzt werden, auch die aktiven Amateursportler. 30.000 Kinder, so warnt IFA-Chef Eini, spielen samstags Fußball. Der „Status quo“, erläuterte Staats­präsident Reuven Rivlin, sei es, „am Schabbat erst in die Synagoge zu ­gehen und anschließend ins Stadion“.

Daran sollte nicht gerüttelt werden, findet Rivlin, der selbst koscher isst und wie die meisten Israelis am Jom Kippur fastet, trotzdem aber als Fußballfan selten ein Spiel seiner Lieblingsmannschaft „Bejtar Jeruschalajim“ auslässt. Außerdem denkt der Präsident auch an die Minderheiten. Beim Fußball sind Israels Araber weit vorn, vor allem der FC „Söhne Sachnins“.

Die Muslime halten sich aus dem Konflikt heraus. Als sei die Liste der Konfliktthemen nicht schon lang genug. So wird gestritten über das Monopol in Sachen Familienrecht, öffentliche Gelder für Schulen, die zwar Mathematik und Englisch nicht im Lehrplan haben, dafür aber umso intensiver den Talmud lehren, über Wehrpflicht auch für Orthodoxe, den öffentlichen Verkehr am Wochenende und die Öffnung von Res­taurants und Kinos.

Die Zeit arbeitet für die Frommen. Schon heute machen die orthodoxen Juden ein Fünftel der Gesamtbevölkerung aus und das Wachstum geht weiter. Bevor es zu spät ist, sollte in Israel eine Trennung festgelegt werden zwischen Staat und Religion, sagen die einen, während die anderen die Thora höher halten als das Staatsrecht und froh wären, wenn das alle täten. Erst wenn die Juden den Schabbat ehren, soll der Messias kommen, auf den sie warten. Noch ist jedoch Geduld angesagt, an diesem Schabbat soll gespielt werden.