Auf der Sonnenseite des Lebens: Vor „Koschis Gemüse Butze“ in der Ebertystraße Foto: David Oliveira

Lang lebe Tante Emma

Shopping Manche Menschen kaufen gern im Netz, was sie so brauchen. Unser Autor geht am liebsten zum kleinen Laden nebenan, wenn er ein Vollkornbrot, eine neue Jeans oder eine Aspirin braucht. Ein Plädoyer

Von Andreas Hergeth

Als Maria von uns ging, war ich betroffen. Ich hatte den Bioladen in der Petersburger Straße in Friedrichshain lieb gewonnen. Das inhabergeführte Geschäft war klein und bot deshalb kein Vollsortiment, aber genau das, was ich so brauchte, fast täglich kaufte ich hier ein.

Ich mochte den Laden, der im April 2011 eröffnete. Das hatte verschiedene Gründe. Maria, die Chefin, hieß wirklich so, hatte einen bezaubernden italienischen Akzent. Sie und ihre Mitarbeiter – zwei ältere Herren – waren stets freundlich und einem kleinen Plausch von Nachbar zu Nachbar nie abgeneigt. Man kannte sich mit der Zeit.

Die Idylle ging im Sommer 2014 pleite. Im Frühjahr hatte nur ein paar hundert Meter entfernt ein großer Biosupermarkt einer in Berlin aggressiv wachsenden Kette eröffnet. Das zog der Maria Käufer ab. Erst blieb immer mehr frische Ware übrig, dann wurde weniger bestellt – bis Aushänge darauf hinwiesen, dass so eine kleiner Bioladen nur überleben kann, wenn dort nicht nur die vergessene Milch oder andere Kleinigkeiten im vorbeigehen eingekauft, sondern auch größere Einkäufe getätigt werden. Doch da war es schon zu spät. Viele Käufer stellten sich erst wieder ein, als wegen Geschäftsaufgabe satte Rabatte lockten. Ich hab auch zugeschlagen. Und mich herzlich von Maria verabschiedet. Das war bitter!

Nach Maria musste ich mir eine anderes Unterstützerobjekt im Bioladen-Bereich suchen. Die Wahl fiel auf die KGB – „Koschis Gemüse Butze“ – in der Eberty­straße, einen kleinen und inhabergeführten Bioladen. In drei Fußminuten bin ich da.

Vieles erinnert mich an die Maria. Weil das Geschäft kein Teil einer Kette ist, gibt es hier Produkte und Marken, die es sonst nirgends in Friedrichshain gibt. Vollkornbrot und Vollkornbrötchen – mein persönlicher Gradmesser für Top oder Flop – sind wirklich einzigartig und schmecken sensationell gut. Sie werden in der „Backstube“, einem Kreuzberger Bäckerei-Kollektiv, hergestellt; eine der Roggenbrotkreationen heißt folgerichtig „Punk“. Der Salat trägt oft noch den Morgentau auf seinen Blättern, weil er erst vorhin in Brandenburg gestochen wurde. Ach, und erst der Käse aus Müncheberg in der Mark! Ja, selbst auf meinem Balkon wachsen Blumen, die aus Saatguttütchen von „Keimzelle“ in Brandenburg stammen. Regionalität wird in der KGB groß geschrieben.

Seit Jahren lebe ich die Maxime, so weit es geht, saisonal und regional und auch lokal einzukaufen. Das „lokal“ nehme ich ernst. Ich unterstütze den kleinen, aber feinen Buchladen in der Wühlischstraße und steure in der Regel eine Handvoll Cafés und Restaurants an, die alle in meinem Kiez liegen und fußläufig zu erreichen sind. Bürobedarf kaufe ich in einem kleinen Familiengeschäft in der Straßmannstraße. Meine Brille lasse ich bei einem Optiker im Samariterkiez machen (keine Kette natürlich). Meine Stamm­apotheke befindet sich dort, wo ich 1995 meine erste Wohnung in Friedrichshain bezogen hatte. Eine neue Jeans hole ich im Kaufhaus an der Frank­furter Allee. Mein Fahrradladen ist um die Ecke und ich gehe immer in den selben Späti in der Ebertystraße.

Aber halblang: Ich bin deshalb kein Gutmensch. Ich buche wie alle Zugfahrten oder Flüge im Internet, anstatt in ein Reisebüro zu gehen, kaufe Musiktitel bei i-tunes, schleppe Wochenendeinkäufe aus billigen Supermärkten nach Hause, und meine neue Couch wird von sonst wo her angekarrt. Aber ich tue einfach, was mir sinnvoll und machbar erscheint, um das lokale Gewerbe, den lokalen Handel zu unterstützen. Damit kleine Läden überleben. Denn das liegt mir am Herzen.

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