Aus für die Risikoschule

Drei von vier Hauptschülern auf unterstem Kompetenzniveau: Nach Pisa-E will sogar die CDU über die Abschaffung der Hauptschule reden. Jubiläums-Diskussion der GEW mit Pisa-Erfinder Schleicher

von Kaija Kutter

Das schlechte Abschneiden der Hamburger Hauptschulen bei der gestern veröffentlichten Pisa-E-Studie bringt offenbar Bewegung in die CDU-Schulpolitik. Durch die Blume sagen sowohl Schulpolitiker Robert Heinemann als auch Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig, dass sie über die Abschaffung dieser Schulform nachdenken.

Der 2003 durchgeführte Pisa-Mathematik-Test hatte ergeben, dass sich drei Viertel der Hauptschüler der damaligen 9. Klassen auf dem Niveau beinahe berufsuntauglicher Risikoschüler befinden. Ebenso erschreckend ist das Ergebnis des erneut durchgeführten Lesetests. Demnach hat Hamburg insgesamt 27,6 Prozent Schüler, die so schlecht lesen können, dass sie die Mindestanforderung fürs Berufsleben nicht erfüllen. Demgegenüber steht Hamburg mit 9,7 Prozent sehr guten Lesern sogar bundesweit an Platz 4.

In Hamburg sei der Abstand zwischen leistungsstarken und -schwachen Schülern „besonders groß“, erklärte Dinges-Dierig und nannte den Migrantenanteil von 34,6 Prozent sowie sozioökonomische und kulturelle Unterschiede als „Gründe“. Man sei zwar mit den bisherigen Reformen „auf dem richtigen Weg“. Dennoch sei zu überlegen, ob die „hohe Zahl von Schulformen in der Sekundarstufe I“ den Herausforderungen ans Bildungssystem noch gerecht werde. „Mittelfristig“, so Behördensprecher Thomas John, solle man „über ein zweigliedriges Schulsystem nachdenken“. Was aus den Gesamtschulen wird, „muss man dann sehen“. Man solle doch „nach Sachsen schauen“, wo mit einem zweigliedrigen System gute Ergebnisse und größere Gerechtigkeit erzielt würden, ergänzte Schulexperte Robert Heinemann. Er sei „gesprächsbereit“ und würde sich freuen, wenn alle Parteien „dafür offen wären“. Bisher hatte man „Hauptschule stärken“ wollen.

„Ich nehme das Gesprächsangebot gerne an“, erklärte GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch. Zeige doch die Erfolgsgeschichte der Integrierten Haupt- und Realschulen (IHR), dass dort mit mehr Förderung bessere Abschlüsse erreicht würden.

„Es ist gut, wenn die Konservativen sich bewegen, denn ohne sie geht es nicht“, sagte auch SPD-Schulpolitikerin Britta Ernst – und kritisierte die Senatorin. Habe Dinges-Dierig doch mit der Bevorzugung der Gymnasien beim Ganztagsschuleprogramm, Büchergeld und Vorschulgebühren soziale Ungleichheit „zementiert“.

„Je weniger gegliedert unser Schulsystem ist, desto besser“, erklärte auch Hamburgs GEW-Vorsitzender Klaus Bullan. Die Zweigliedrigkeit würde das Problem der sozialen Ungerechtigkeit aber nicht lösen: „Die Schüler auf der neuen Sekundarschule würden wieder die aus den ärmeren Elternhäusern sein.“

Die GEW, die heute ihren 200. Geburtstag feiert, fordert eine „Schule für alle“ und wird darüber ab 14.30 Uhr im Curiohaus diskutieren – unter anderem mit dem Pisa-Erfinder Andreas Schleicher höchstselbst.