Hohe Hürden für das Volk

Verfassungsgericht verhandelt über Volksbegehren „Bildung ist keine Ware“. Bürgerabstimmung zur Reform der Berufsschulen wird immer unwahrscheinlicher. Richter halten Formulierungen der Initiative für zu mehrdeutig

Die Volksinitiative gegen den vom CDU-Senat geplanten Umbau der Berufsschulen musste gestern vor dem Hamburgischen Verfassungsgericht eine Enttäuschung einstecken. In der Verhandlung der Klage der Initiative „Bildung ist keine Ware“, die einen Volksentscheid über die Berufsschulreform durchsetzen will, bewertete das Gericht die zur Bürgerabstimmung stehende Frage als zu ungenau. „Wir sehen kein eindeutiges Petitum“, sagte Gerichtspräsident Wilhelm Rapp, „das mit ja oder nein beantwortet werden kann.“

Die Initiative klagt gegen einen Bürgerschaftsbeschluss vom November 2004. Damals hatte das Parlament für die Überführung der Schulen in ein Landesinstitut votiert. Zugleich erklärte es, dass damit das Ziel des von 124.000 Hamburgern unterstützten Begehrens erfüllt sei. Denn wie gefordert, erfolge keine Privatisierung der Schulen.

Die Initiatoren des Begehrens sehen das anders. Gestern beantragten sie, das Gericht möge feststellen, dass der Parlamentsbeschluss ihrem Anliegen nicht entspreche: Der Senat räume der Wirtschaft „echte Mitbestimmungsrechte“ in den Schulen ein. Denn im Kuratorium des Landesinstituts und den Schulvorständen soll sie die Hälfte der Sitze erhalten. Auch wenn der Senat die Idee einer Stiftung als Rechtsform aufgegeben habe, „hält er am Ziel einer verdeckten Privatisierung fest“, so der Anwalt der Klägerin, Dieter Sterzel.

Das Gericht befasste sich aber nicht mit dem Reforminhalt. Vielmehr erklärte es unter Verweis auf die Rechtssprechung andernorts, Volksbegehren müssten wertungsunabhängige Fragen behandeln und „aus sich heraus verständlich sein“. Der Text von „Bildung ist keine Ware“ erfülle diesen Anspruch nicht.

Der Kernsatz – „Ich bin dafür, dass die Berufsschulen wie bisher unter unmittelbarer und uneingeschränkter staatlicher Verantwortung und Leitung bleiben“ – sei nicht hinreichend deutlich. Es könne nicht erwartet werden, dass das Berufsschulwesen allgemein bekannt sei, sagte Präsident Rapp: „Für uns ist die Frage, welche Deutungsmöglichkeiten der die Einzelheiten nicht kennende Bürger hat.“ Es blieben „gewisse Fragezeichen bei der Eindeutigkeit des Textes“. So sei zu bezweifeln, dass die Aussage, die Schulen seien aktuell in uneingeschränkter staatlicher Verantwortung, „der Realität entspricht“: Es gebe bereits eine „Vielzahl an Beteiligungsrechten“, auch für die Wirtschaft.

Sterzel erwiderte, jeder Bürger habe einen Bezug zu Schulfragen: Mangelnde Kompetenz könne man ihm nicht zusprechen. Bernd Viet von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die das Begehren mitinitiierte, kommentierte nach der Verhandlung: „Wenn derart hohe Hürden für die Texte angelegt werden, wird jede Volksgesetzgebung unmöglich gemacht.“

Die Vertreter von Senat und Bürgerschaft argumentierten, die Klage sei unbegründet, weil das Begehren nur auf die Verhinderung einer Stiftung abgezielt habe. Schon Mitte 2004 habe der Senat dieses Modell aber verworfen. Sie beantragten, den Antrag der Klägerin abzulehnen.

Das Urteil wird am 30. November verkündet. Eva Weikert