Ein Strang, verschiedene Richtungen

HANDBALL (II) Dem Bundesligisten HSV Hamburg sind jüngst gleich drei Führungskräfte abhandengekommen. Zu tun hat das mit dem Einfluss des ehemaligen Vereinspräsidenten Rudolph

Ohne den Mäzen, der vor 16 Monaten als Präsident zurück- trat, geht es noch immer nicht

Es ist noch nicht so lange her, da verkündeten sie beim HSV Hamburg feierlich einen neuen, großen Zusammenhalt: „Wir ziehen alle an einem Strang“, rief Präsident Karl Gladeck, ein Aschaffenburger Reiseunternehmer, am 12. Dezember 2014 auf der Mitgliederversammlung euphorisch in die Runde. An jenem Abend war der Hamburger Gastronom und Hotelier Christoph Strenger in den Aufsichtsrat gewählt worden. Damit war das Kontrollgremium des Handball-Bundesligaklubs wieder komplett.

Ja, das besaß damals etwas von Aufbruchstimmung – nach all den Verwerfungen in den Monaten zuvor, dem Rücktritt des langjährigen Vereinspräsidenten Andreas Rudolph im Mai 2014, den Sorgen um die Bundesligalizenz und die Existenz des Vereins insgesamt. Alles sollte fortan besser laufen.

Vergangenen Dienstag gaben drei Kräfte aus der HSV-Führungsebene ihren Rücktritt bekannt. Reimund Slany ist einer davon, Aufsichtsrat und von September 2014 bis Januar 2015 Vorsitzender des Gremiums – bis, eben, Strenger ihn ablöste. Aufsichtsrätin Andrea Detmers trat ebenfalls zurück, so wie der Ehrenratsvorsitzende und Fanbeauftragte André van de Velde. Gründe nannten sie nicht. Die Mitglieder des Vereins müssen nun auf der Versammlung, die im letzten Quartal dieses Jahres stattfinden soll, unter anderem zwei neue Aufsichtsräte wählen. Mit drei Delegierten ist das Gremium nicht handlungsfähig.

Slany und Detmers sollen sich bei ihrer Wahl in den Aufsichtsrat mehr Mitsprache auch den Profibereich betreffend erhofft haben, der ja im Sommer 2014 beinahe insolvent gegangen war. Dazu kam es nicht, denn beide waren Aufsichtsräte des HSV e.V., aber eben nicht der Spielbetriebs-GmbH.

Aus der Abhängigkeit vom langjährigen Präsidenten Rudolph hat sich der Verein ohnehin erst noch zu befreien. Der vermögende Medizintech­nikunternehmer hatte den HSV zu einer Top-Adresse in Europa gemacht, soll über die Jahre annähernd 30 Millionen Euro investiert haben. Ohne den Mäzen, der vor 16 Monaten zurück trat, geht es noch immer nicht: Rudolph stützt den HSV mit Sponsorengeldern und Bürgschaften. Zöge er sich komplett zurück, wäre der Klub in seiner Existenz gefährdet.

Im Gegenzug für sein Engagement hat der 60-Jährige ein Netzwerk an Vertrauten geknüpft: Im Aufsichtsrat sitzen sein Bruder Matthias und mit dem Hotelier Strenger ein Geschäftsfreund. Vereinspräsident Gladeck galt vor der Wahl als Rudolphs Wunschkandidat. Solche Strukturen können bei anderen Amtsträgern schon mal zur Ernüchterung führen. Und zu drei Rücktritten auf einmal. GÖR