Leitungswasser statt Cola

Rund 160 SchülerInnen aus sechs Bremer Schulen haben erforscht, was es für Kinder heißt, arm zu sein: Für Schokolade ist kein Geld da und auf ein Rad muss man auch sechs Jahre sparen

Bremen taz ■ Pro Tag zwei Brötchen und vier Scheiben Salami. Mehr bleibt der 13-jährigen Schülerin nicht zum Essen, wenn sie von Arbeitslosengeld II (ALG II) leben muss. Das müsse reichen, sagt sie, für Frühstück und Abendessen. 2,62 Euro sehe ihr Regelsatz für die täglichen Mahlzeiten vor, rechnet sie vor, 1,53 Euro koste allein das Mittagessen in der Schulmensa. Da fallen Milch und Cola ebenso aus ihrem Einkaufskorb wie die Schokolade und das Obst. Und zu trinken gibt es Leitungswasser.

Der Einkaufskorb steht im Schulzentrum Walliser Straße. In den vergangenen Wochen haben sich rund 160 SchülerInnen aus sechs Bremer Schulen mit„Kinderarmut“ befasst, gestern stellten sie den MitschülerInnen ihre Ergebnisse vor. Kommende Woche steht das Thema noch einmal auf dem Programm, zur „Nacht der Jugend“ im Bremer Rathaus. Dort wollen die SchülerInnen mit Bremer PolitikerInnen über Kinderarmut diskutieren. Das Projekt ist Teil eines Modellprogrammes „Demokratie lernen und leben“.

Rund 25.000 Kinder im Lande Bremen gelten als arm. Statistisch ausgedrückt heißt das: Ihre Eltern verfügen über weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens. Für eine allein stehende Person liegt die „Armutsschwelle“ laut dem aktuellen Armutsbericht der Bundesregierung derzeit bei 938 Euro, für ein Paar mit einem Kind bei 1.688 Euro.

In Bremen lag der Anteil armer Kinder im Juli bei durchschnittlich 26,3 Prozent, sagt der Armutsbericht, ein Drittel mehr als noch im Dezember vergangenen Jahres. Schon damals war in Tenever fast jedes zweites Kind von Armut betroffen, in Gröpelingen fast jedes Dritte.

Doch was bedeutet das konkret? Wenn er von ALG II leben müsse, rechnete ein der Schüler gestern vor, blieben ihm nur etwas mehr als zehn Euro für Bus und Bahn. Seine Schülermonatskarte koste ihn jedoch 28,80 Euro. Und auf ein Rad müsse er erst sparen – „von 0,44 Cent pro Monat“. Selbst auf ein Rad vom Flohmarkt für 30 Euro müsse er da sechs Jahre warten.

Auch für Nachhilfe ist im ALG-II-Regelsatz kein Geld vorgesehen. Zugleich ist die Koppelung der sozialen Herkunft an den Schulerfolg laut der PISA-Studie in keinem Bundesland so groß wie in Bremen. „Wir leben in einer zunehmend anti-sozialen Wirklichkeit“, fasste Schulleiterin Irene Kogel vom Schulzentrum Walliser Straße die Ergebnisse der Schüler-Studien zusammen.

Die SchülerInnen meldeten sich ihrerseits schon mal mit einer Forderung an ihre LehrerInnen zu Wort: Sie wollen mehr Klassenfahrten machen. „Damit arme Kinder überhaupt mal raus kommen.“ mnz