wenn männer zu sehr flennen von WIGLAF DROSTE
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Als ich von einer MDR-Rundfunkredakteurin um eine Glosse zum „Internationalen Tag des Mannes“ gebeten wurde, dachte ich: Die will mich veräppeln. Einen „Internationalen Tag des Mannes“, da war ich mir sicher, kann es nicht geben. Es gibt dafür nicht den geringsten Grund. Der zwar längst zur Folklore herabgesunkene Frauentag ist plausibel und erinnert vernünftigerweise daran, dass Rechte erkämpft werden müssen – ein „Internationaler Tag des Mannes“ aber ist nur ein schlechter Witz.

Den es nichtsdestotrotz gibt: Seit dem Jahr 2000 wird er am 3. November begangen. Die Gorbatschow Foundation hat das, weil sie so intelligent ist wie ihr Namensgeber, forciert und durchgesetzt. Beheulsust wird unter anderem die Tatsache, dass Männer statistisch früher sterben als Frauen. Dabei sollten die meisten Kerle, so wie sie sind und leben jedenfalls, doch froh sein, wenn sie es eher hinter sich haben und die Freude darüber nicht allein ihren Frauen überlassen.

1980, mit 19, bekam ich einen Männerkalender geschenkt. Irgendwelche Sackgesichter aus Berlin und Köln machten sich mit der Selbstverständlichkeit, dass auch in ihnen Gefühle zu Hause waren, furchtbar wichtig. Das Elend des Männerselbstmitleids kulminierte später im Lied „Männer“ von Herbert Grönemeyer. Er stellte die bei Joe Jackson gestohlene Frage, was denn ein richtiger Mann sei, auf grönemeyerisch ungelenke Art: „Wann ist ein Mann ein Ma-ha-hann?“ Wenn er genau diese Sorte Taschentuchinhalt meidet.

Männlichkeit hat nichts mit Krankheiten wie Waffen sammeln, Tiere totschießen, Computerzeitschriften lesen und dauernd Sport machen zu tun, auch wenn die davon befallenen Seelenkrüppel nicht müde werden, das zu behaupten. Mit den meisten Männern ist es wie mit den meisten Frauen: Sie bestehen aus Angst und Angstüberspielung, und deswegen hat mit ihnen alles keinen Zweck. Wenn die schöne Regel gälte, dass jeder, der sich selbst nicht als den ansehen kann, der er wirklich ist, das Antlitz der Erde mit seinem Anblick zu verschonen hätte, lebten wir auf einem paradiesisch bevölkerungsarmen Erdball.

Männer sind nicht per se dümmer als Frauen – sie sind es nur, wenn sie es sind, meist auf aggressivere, brüllend lautere und selbstgefälligere Weise. Um das zu wissen, braucht man keine Sex/Gender-Forschung, es genügt ein geschultes Ohr. Für die Fernsehsorte Mensch muss es das vergleichsweise schwache, bestechliche Auge richten.

Sich mit der Tatsache seines physischen Geschlechts aufzuspielen ist armselig und erbärmlich. Die Zauberworte heißen Selbstverständlichkeit, Klugheit, Großzügigkeit, nichtverlernte Fünfjährigkeit, Warmherzigkeit, Mitgefühl, Leidenschaft, Flauschigkeit – alles eben. Es geht um eine individuelle, nicht normierte musische Anmut von Körper, Seele und Geist – und um den Humor, damit fertig zu werden, diesem Ideal meist nur im Rahmen seiner Möglichkeiten zu entsprechen. Die wichtigste Regel für einen Mann aber ist diese:

Sitz der Seele ist die Möse

Ohne Liebe wird sie böse.

Wer das verstanden hat, ist nicht ohne Chance, als ganzer Mensch leben zu dürfen. Einen „Internationalen Tag des Mannes“ braucht kein Mensch.