Ein besonderes Gefühl

Der SV Werder Bremen bietet beim irren 4:3 gegen Udinese Calcio in der Champions League ein echtes Spektakel und darf dank des ersten Sieges sogar wieder ans Achtelfinale denken

AUS BREMEN MARCUS BARK

Die Schwarzhändler auf dem Osterdeich sind schon eine Stunde vor Anpfiff mit den Preisen bis an ihre Schmerzgrenze gegangen. Zehn Euro wollten sie nur noch für eine Karte haben für die Partie Werder Bremen gegen Udinese Calcio. Das ist ein äußerst guter Kurs für ein Champions-League-Spiel. Die wenigen Fans, die trotz des Schnäppchens zugriffen, werden ein paar Stunden später mit einem schlechten Gewissen nach Hause gefahren sein: Zehn Euro für dieses irre 4:3 – das war Dumping.

„Erzählen Sie ruhig weiter, was hier los war“, bat Bremens Trainer Thomas Schaaf die Reporter nach Ende der denkwürdigen Partie. Nichts lieber als das: Werder spielte 54 Minuten lang traumhaften Fußball und führte durch Tore von Miroslav Klose (18.), Frank Baumann (24.) und Johan Micoud (51.) mit 3:0. Dann flutschte Andreas Reinke ein Schuss von Antonio Di Natale unterm Bauch hinweg ins Tor. Es stand 3:1 (54.). Drei Minuten später 3:2 (wieder Di Natale). Noch einmal drei Minuten später 3:3 (Eigentor Christian Schulz). Da der Trainer das schwächste Glied in der Kette ist, musste Thomas Schaaf den Versuch starten, diese zuvor nie für möglich gehaltene Wendung zu erklären. „Wir haben aufgehört, uns zu bewegen. Wir haben gedacht, wir bräuchten nichts mehr zu tun“, sagte er tapfer. Die Bremer wollten so sein wie die Bayern: Locker, solide, sicher, ohne Aufwand. Es galt schließlich, ein paar Körner zu sparen, denn am Samstag steht das Bundesliga-Spitzenspiel in München an. „Vielleicht ist das nicht unser Ding, cool etwas nach Hause zu spielen“, sagte Schaaf. Dann führte er auf, dass es ganz bestimmt nicht das Ding seiner Elf ist: „Die Mannschaft geht ihren Weg. Sie verfolgt ihr Ziel, ihr Programm.“

Werder wollte das Spektakel, auch ohne Ivan Klasnic, der knapp drei Stunden vor dem Spiel wegen einer Blinddarmentzündung ins Krankenhaus gebracht werden musste. Bis zu einem gewissen Punkt gab es das Spektakel. Klose spielte vorzüglich, Klasnic-Ersatz Nelson Valdez überzeugte als Vorbereiter, Micoud als Antreiber und Torschütze. Und Torsten Frings bestätigte, dass der Stadionsprecher nur ein bisschen übertrieb, als er dem Nationalspieler „die Form seines Lebens“ attestierte. Als Torwart und Abwehr der Bremer sich dann aber ihrer eigentlichen Bestimmung widmen mussten, war der wundervoll herausgespielte Vorsprung innerhalb von sechs Minuten futsch.

Leon Andreasen nannte diesen Zeitraum einen Albtraum. Irgendetwas hatte den Verteidiger aber auch schnell wieder geweckt: „Wir hatten danach ein besonderes Gefühl, dass wir das Ergebnis so nicht stehen lassen können.“ Aus miserablen Verwaltungsangestellten wurden nun fleißige Arbeiter, die mit Kampf statt Glanz durch einen weiteren Kopfballtreffer von Micoud (67.) zum wichtigen Sieg kamen, der sogar die Chancen auf das Achtelfinale erhält. Vor den abschließenden Spielen des SV Werder beim FC Barcelona und gegen Panathinaikos Athen behaken sich drei Mannschaften mit vier Punkten hinter den bereits qualifizierten Spaniern.

Eine Prognose, wie es mit Werder weitergeht, ist kaum möglich, wie die Partie gegen Udine zeigte. Bremen packte am Mittwoch das gesamte Spektrum an möglicher Leistung in 90 Minuten. Manchen Trainer würde das zur Verzweiflung bringen, Thomas Schaaf machte das irrsinnig stolz: „Die Mannschaft ist sensationell. Sie macht es sich manchmal schwer, aber holt sich auch selbst wieder raus.“ Schaaf hofft, dass sich die Mannschaft am Samstag in München treu bleibt. Die Fans sind gespannt und hoffen auf ein Spektakel. Für zehn Euro dürfte da wahrscheinlich nichts zu machen sein.

Werder: Reinke - Owomoyela (68. Fahrenhorst), Andreasen, Naldo, Schulz - Baumann (85. Vranjes) - Frings, Borowski - Micoud - Klose, Valdez (79. Hunt)Udinese: De Sanctis - Bertotto, Sensini, Felipe - Zenoni (50. Mauri), Obodo, Vidigal, Muntari (30. Di Natale), Candela - Iaquinta, Di Michele (73. Motta)Zuschauer: 35.424; Tore: 1:0 Klose (15.), 2:0 Baumann (24.), 3:0 Micoud (51.), 3:1 Di Natale (54.), 3:2 Di Natale (57.), 3:3 Schulz (60./Eigentor), 4:3 Micoud (67.); Gelb-Rote Karten: Pinzi (71./wiederholtes Foulspiel )