In der Sauna von Flushing Meadows

TENNIS Bei den US Open haben viele Profis mehr mit der Hitze als mit ihren Gegnern zu kämpfen. Etliche kapitulieren bereits vor dem Spielende. Philipp Kohlschreiber gewinnt das Marathonspiel gegen Alexander Zverev

Hitzebeständig: P. Kohlschreiber Foto: dpa

NEW YORK taz | Um diese Jahreszeit, kurz bevor der Herbst beginnt, dreht Petrus den Grill in New York gern noch mal auf. Oberhitze, Unterhitze – perfekte Bedingungen für Bratgut jeder Art, weniger hingegen für Tennisspieler. Selbst in gutem Trainingszustand ist das manchmal schwer auszuhalten, zumal wenn ein Spiel auf hohem Niveau fast dreieinhalb Stunden dauert wie die Partie zwischen der aktuellen Nummer eins des deutschen Männertennis, Phi­lipp Kohlschreiber, und dem Kandidaten für die Zukunft, Alexander Zverev. Bei Temperaturen von über 30 Grad und Luftfeuchtigkeit von fast 70 Prozent waren am Ende beide stehend K.o. Das sei wirklich keine leichte Sache gewesen, sagte Kohlschreiber, der das Spiel auf Court 5 schließlich gewann (6:7, 6:2, 6:0, 2:6, 6:4). „Wenn es hier heiß ist, dann ist es auch fast immer schwül. Ich hab’ geschwitzt wie ein Schwein“, meinte er, als er sich abgekühlt hatte.

Nun könnte man einwenden, jeder Profi müsse auf extreme Bedingungen vorbereitet sein, sowohl was die Grundlagen als auch die Vorbereitung betrifft. Schon richtig, entgegnet Kohlschreiber, aber selbst im intensivsten Training könne man die körperliche und geistige Anspannung eines Spiels nicht simulieren. Es bleibt also immer ein Rest, der mit der Tagesform und der Konzentration zusammenhängt.

Und auch mit einer Konstellation wie in diesem Fall, wenn die langjährige deutsche Nummer eins gegen jenen jungen Mann spielt, der als größte Hoffnung des deutschen Männertennis gilt. „Ich bin heilfroh, diesen Angriff abgewehrt zu haben“, gab Kohlschreiber zu, „Sascha entwickelt sich toll. Irgendwann wird er sicher an mir vorbeiziehen.“ Vermutlich werden sich die beiden in nicht allzu ferner Zeit bereits wiedersehen, diesmal gewissermaßen auf einer Seite des Netzes; es spricht vieles dafür, dass sie beim Playoff-Spiel im Davis Cup in der Dominikanischen Republik in gut zwei Wochen in den Einzeln spielen werden.

In Santo Domingo werden die Bedingungen denen der ersten Tage der US Open vermutlich ähneln. Viele Spieler finden, in der Sauna von Flushing Meadows nicht schlappzumachen sei schwieriger, als in Australien bei trockener Wüstenhitze von 42 Grad, und dafür spricht eine bemerkenswerte Zahl. Zehn Männer und zwei Frauen gaben diesmal in der ersten Runde der US Open auf, so viele wie nie zuvor. Zum Glück sah es nicht bei allen so schlimm aus wie bei Thanasi Kokkinakis, der auf dem Platz neben Kohlschreiber und Zverev spielte. Von Krämpfen im Arm und in den Waden geplagt, konnte der junge Aus­tralier in der letzten Phase des Spiels kaum noch gehen, und während der Seitenwechsel blieb er stehen, weil er befürchtete, dass die Krämpfe im Sitzen noch schlimmer werden würden. Am Ende blieb ihm nichts anderes übrig, als seinem Gegner Richard Gasquet zu signalisieren, dass es das gewesen sei.

Das Frustrierende, berichtete er eine große, schattige Weile später, sei, dass er sich bis zu den Krämpfen gut gefühlt und sich gute Chancen ausgerechnet habe. Aber dann – es sei einfach ein Desaster gewesen.

Aber nicht alle Aufgaben hatten mit der New Yorker Spätsommerhitze zu tun. Viele Spieler gingen schon angeschlagen auf den Platz und erreichten das Ziel am Ende nicht. Am auffälligsten war das Dilemma bei der Russin Witalia Diatschenko, die beim kurzen Auftritt gegen Serena Williams beim Aufschlag kaum den Ball übers Netz brachte und in acht Spielen nicht mehr als fünf Punkte machte.

Nun kann man sich natürlich auch fragen, ob es denn in Ordnung ist, einem gesunden Ersatzmann den Platz wegzunehmen, obwohl man doch ziemlich sicher weiß, dass es keine realistische Chance gibt, das Spiel durchzustehen. Aber das ist für viele aus den hinteren Regionen der Weltrangliste keine leichte Entscheidung, wenn das Preisgeld für die erste Runde wie in diesem Fall 39.500 $ beträgt. „Das ist so viel wie ein halbes Jahr Sponsoring“, sagt Sabine Lisicki, die ebenso in der zweiten Runde landete wie Angelique Kerber, Andrea Petkovic und Mona Barthel. „Da kann man das schon verstehen. Aber vielleicht wollte sie (Diatschenko) auch einfach spielen. Auf so einem großen Platz gegen Serena Williams – das erlebt man ja nicht jeden Tag.“ Doris Henkel