Weggehen, um anzukommen

TAZ.FLUCHTHILFE Seit Dienstag erscheinen in der taz Extraseiten zum Thema Flüchtlinge und wie die EU mit ihnen umgeht

Einfach – plakativ – nachvollziehbar Foto: Conny Türk, Willich

Kein Paradies

betr.: „Die Gunst der Stunde“, taz vom 2. 9. 15

Erfreulich, dass die taz nun dem Thema Fluchthilfe Sonderseiten einräumt – die Flüchtlingsthematik beschäftigt zu Recht die ganze Gesellschaft und das überall große ehrenamtliche Engagement ist sehr zu begrüßen. Selbst seit vier Jahren in der Flüchtlingshilfe ehrenamtlich engagiert, unter anderem mit Deutschunterricht – die Sprache ist das Wichtigste für die Integration – , erlaube ich mir doch etwas kritische Anmerkungen:

Zurecht wird Willkommenskultur praktiziert und den rechten Parolen Widerstand entgegengesetzt. Allerdings sollte den Flüchtenden nicht das Paradies auf Erden versprochen werden und aufgezeigt werden, dass das Luxusleben in Fernsehen und Internet nicht das reale Leben in Deutschland widerspiegelt: es gibt auch hier Armut – Menschen, die mit kleiner Rente oder Sozialhilfe über die Runden kommen müssen. Bei der örtlichen Tafel gibt es bereits Konkurrenz zwischen den verschiedenen Berechtigten. Es ist gut, dass die Flüchtlinge auch von den Tafeln versorgt werden und sie so vom Taschengeld unter anderem den wichtigen Kontakt zu den Familienangehörigen(per Skype) halten können. Aber es ist auch gut, wenn sie reales Leben hier in Deutschland erleben durch Einladungen in Familien und (Kirchen-)Gemeinden. Einander im Alltag kennen lernen und sehen, dass das Leben in Deutschland zwar sicherer und besser als in der Heimat, aber eben auch nicht das Paradies auf Erden ist.

Der von der taz oft kritisierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigt dabei eben viel Realitätsbewusstsein und verharrt nicht, wie viele Andere, in Sonntagsreden. ERICH HINDERER, Thüngen

Breiter Diskurs

betr.: „Das neue Deutschland“, taz vom 2. 9. 15

Interessanter Weitblick. Ich lasse mal die ziemlich gestelzte Ausdrucksweise wie von den „Arenen permanenter Aushandlung symbolischer Ordnungen“ beiseite. In der Sache ist dies die Best-Case-Schilderung des taz-Wunschbilds Einwanderungsland. Konflikte, gerade der linken, feministischen, liberalen Szene mit konservativen Neubürgern, werden angedeutet, aber nicht wirklich ernst genommen. Wenn es so gut kommt, Glück gehabt.

Was mich aber wirklich stört, ist, dass diese neue Verheißung den Bürgern einfach übergestülpt wird. Darüber muss doch erst mal demokratisch befunden werden! Und zwar in Anrechnung nicht nur der Veränderungsleistungen der Hiesigen, sondern auch der Anpassungsleistungen der Kommenden (die im Übrigen in dem Gesetzentwurfs-Gag natürlich unterbelichtet sind). Wo ist denn das Abwägende, das Graue zwischen Hell- und Dunkeldeutschland, die eigentlich den Deutschen nachgesagte Skepsis und konstruktive Kritik?

Wenn aus der Nothilfe für Kriegsvertriebene tatsächlich eine grundstürzende Einwanderungskultur werden soll (besseres Wort als Willkommenskultur, denn wen ich willkommen heiße, den habe ich vorher eingeladen), dann muss das breit per Diskurs verankert sein. Die taz-Position ist dabei nur eine von mehreren legitimen, sorry.

MAIK HARMS, Hamburg

Unglaublich

betr.: „Schickt Sonderzüge, jetzt!“, taz.de vom 2. 9. 15

Es ist wirklich unglaublich, was sich in Europa abspielt.

Die armen Länder am Rand sollen die größte Last tragen, vorm Lageso müssen die Flüchtlinge bis zu zehn Tagen warten und werden praktisch ohne Soforthilfe gelassen. Warum greifen da nicht die üblichen Maßnahmen bei Katastrophen, beziehungsweise warum werden sie nicht ergriffen?

Die Politiker, die mit erhobenen Zeigefingern in der Welt herum mahnen und Bürgerrechte einfordern, sind nicht einmal bereit, die elementarsten Menschenrechte der Hilfesuchenden zu gewährleisten.

A. FRANKE, taz.de

Auf die Füße treten

betr.: „Schickt Sonderzüge, jetzt!“, taz.de vom 2. 9. 15

Zustimmung für die Züge. Gleichzeitig sollte man der ungarischen Führung kräftig auf die Füße treten und ihr klar machen, dass sie die Menschen nicht einfach auf der Straße liegen lassen kann. Sie muss sich kümmern. Und sei es nur, um für eine schnelle Weiterreise zu sorgen. Wenn es darum geht, der griechischen Regierung innenpolitische Vorschriften zu machen, ist man doch in Berlin und Brüssel auch nicht so schüchtern. WARUM_DENKT_KEINER_NACH?, taz.de

Absurde Situation

betr.: „Schickt Sonderzüge, jetzt!“, taz.de vom 2. 9. 15

Vielen Dank, dass Sie auf diese Katastrophe aufmerksam machen! Eine absurde Situation, die Flüchtlinge festzusetzen und dann Erfolge bei der Lebensrettung zu melden, wenn die Flüchtlinge in zugeschweißten Kleintransportern fast getötet werden. TOBIAS BATELT, taz.de

Willkommen

betr.: „Das neue Deutschland“, taz.de vom 1. 9. 15

Alle Einwanderer sind willkommen, denn ohne Einwanderer wären einige Länder noch in einem Steinzeit-ähnlichen Zustand. Und wenn sie sich an gegebenes Recht halten, gibt es keine Einwände. Einwanderer haben stets das Land verändert, Religionen allerdings auch.

QUERDENKER, taz.de

Chaos akzeptieren?

betr.: „Das neue Deutschland“, taz.de vom 1. 9. 15

Komischerweise kommen ja viele Ausländer gerade nach Deutschland, weil es ist, wie es ist. Sie wollen aus dem Chaos in die Ordnung. Und jetzt wird vorgeschlagen, doch lieber ein bisschen mehr Chaos zu akzeptieren? DR. MCSCHRECK, taz.de

Beschämend

betr.: „Das neue Deutschland“, taz vom 2. 9. 15

Endlich Schluss mit Polarisieren, Romantisieren, Radikalisieren. Auch in der taz. Menschen, Männer, die noch komplex denken können, die ihre Erfahrungen aus Politik und Gesellschaftsanalyse zusammenbringen und das leisten, was uns so sehr fehlt: kongruente Szenarien, Vision, Utopie. Geht doch!

Unvermeidbar fließt auch in diese Diskussion der Bezug zu dem Artikel von Aselm Lenz (taz vom 1.8.15., „Sie verlassen die neoliberale Epoche“) ein. Die von ihm aufgezeigte Entwicklung und Kritik ist auch die Grundlage für den Umgang von Politik und Verwaltung mit Flüchtlingen. Eine in dieser Situation dringend erforderliche europäische und deutsche Politik ist nicht erkennbar. Beide scheinen sich wegzuducken, beschämend. Das Modell Europa als Solidargemeinschaft scheint gescheitert. Erschreckend ist auch die öffentliche Zurschaustellung von Hass, mit der sich einzelne Personen oder Gruppen zeigen (wollen). KARIN SCHÜLER, Bonn