Folge der jungen Frau mit einem Blümchen im Haar

Jugenddialog Die Anmeldung freier Open-Air-Festivals soll vereinfacht werden. Zu Besuch bei einer Muster-Veranstaltung

Es ist Freitagabend. Ich sitze in der Bahn Richtung Spandau mit vielen Hertha-Fans, die erstaunlich ruhig sind, und überlege, ob ich alles richtig verstanden habe: Es gibt also den EU-geförderten Jugenddialog „Geplantes Chaos“, bei dem sich interessierte Kreise und Projektpartner treffen und sich über nicht angemeldete Musikevents im öffentlichen Raum unterhalten. Bis zu 30 freie Open Airs gibt es jedes Wochenende in Berlin. Oft werden sie nicht angemeldet, da das mit zu großem bürokratischem Aufwand verbunden ist.

Zum Abschluss des letzten Dialogs soll am Spandauer Spree­ufer ein dreitägiges Free-Open-Air-Festival stattfinden, mit dem die erste öffentliche Freifläche Berlins für Free Open Airs eröffnet werden soll. Doch zunächst steh ich sinnlos in der Juliusturmstraße herum und weiß nicht weiter. Unter der Adresse, an der man sich treffen sollte, ist nur ein „Mc Fit“ zu finden.

Enttäuscht will ich schon wieder nach Hause gehen, da sehe ich eine junge Frau mit einem Blümchen im Haar an einer Abzweigung stehen. Andrea ist Praktikantin bei der Clubkommission und erklärt mir den Weg zum Open-Air-Gelände.

Von weitem hört man schon ein bisschen Musik. Das Festgelände mit zwei Bühnen, Bars und kleinen Häuschen sieht hübsch aus. Die Leute wirken leicht hieppiesk. Einige kenne ich. Zum Beispiel Marc Wohlrabe, der früher den Flyer herausgegeben hatte und hier in seiner Eigenschaft als Mitglied der Clubkommission ist. Immer, wenn wir uns sehen, also auch heute, reden wir über die anzustrebende Legalisierung von Marihuana und die Lage in Mexiko.

Dann reicht er mich an Ricky Jahn von der Wirtschaftsförderung Spandau weiter. Jahn erklärt, dass sich Spandau seit 2012 um die Ansiedlung von Künstlern bemühe. Mit der Legalisierung bzw. Veranstaltungsvereinfachung von „Free Open Airs“ versuche man, Spandau attraktiver für kreative junge Leute zu machen, und sei dabei, drei Flächen in Spandau auf ihre Open-Air-Tauglichkeit zu prüfen. Es gehe darum, Spandau „nach vorn zu bringen“. Das „Sinneserwachen“-Open-Air ist eine Art Versuchsballon, eine Testveranstaltung „unter Begleitung der Behörden“, die gucken, wie so was aussieht.

Während uns Thomas Scheele von der Clubkommission über das 15.000 Quadratmeter große Festivalgelände führt, erklärt mir Wohlrabe, dass sich Wirtschafts- und Grünflächenämter oft streiten, wobei die Wirtschaftsämter liberaler seien.

Dann fragt Scheele, ob wir Lust hätten, ein bisschen mit einem Floß auf der Havel rumzufahren? – Klar.

Das Floß heißt „Pan Ta Rei“,hat 15 PS und wurde im Do-it-yourself-Verfahren hergestellt. Julia, die Kapitänin, die das romantische Gefährt in fünf Stunden von der Rummelsburger Bucht bis nach Spandau gefahren hat, erzählt von der DIY-Floßbewegung und dass sie gerne einen Verband gründen würden.

Es ist sehr schön, am Abend über die Havel zu schippern. Einige baden und Wohlrabe erzählt, wie er als Kind in Siemensstadt Wahlkampfbroschüren für seinen Vater verteilt hatte und dass es auch JUler gebe, die sich für die Freigabe von Cannabis einsetzen möchten.

Wieder zurück auf dem Festivalgelände, fängt das Open Air so langsam an. Eine seltsame Veranstaltung; ein Muster-Open-Air wie ein Musterhaus, in das man geht, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie man selber darin wohnen könnte, und gleichzeitig natürlich auch ein wirkliches Open-Air.

Open Airs sind zarte Pflanzen; die gleich kaputtgehen, wenn offensiv für sie geworben wird. Deshalb baten die Veranstalter im Vorfeld auch darum, die Veranstaltung nicht anzukündigen. Dass es Bedarf gibt und dass die Veranstaltungsfläche ein Erfolg werden wird, steht außer Frage; wie man damit achtsam umgehen kann, ohne es zu privat werden zu lassen, wird sich zeigen. Detlef Kuhlbrodt