„Trend zum Land-Idyll“

Texte über Liebe, Arbeit, Heimat: der neue „Ziegel“

■ 59, Literaturreferent der Kulturbehörde und „Ziegel“-Mitherausgeber. Letztes eigenes Buch: „Die große Verschwendung“ (2011) Foto: Gilda Mempel

taz: Herr Schömel, ist der „Ziegel“ das Avantgarde-Medium norddeutscher Literatur?

Wolfgang Schömel: So großkotzig würde ich da nicht rangehen. Aber wir bemühen uns schon, das sprachliche Niveau zu halten und keine „Wellness“-Literatur zu präsentieren, die bloß die Weltwahrnehmung des Lesers bestätigt. Und eine so große Anthologie von Literatur aus einem engen geographischen Raum ist in Deutschland einzigartig.

Warum gibt es so etwas gerade in Hamburg?

Weil hier seit 25 Jahren eine sehr gezielte Autorenförderung existiert. Andere Städte haben das zurückgefahren, Hamburg nicht. Das hat natürlich Folgen.

Fördert der Ziegel Karrieren?

Ja. Verlage, die nicht nur auf Bestseller schielen, suchen da gezielt nach Kandidaten.

Das Motto der neuen Ausgabe – „Liebe, Arbeit, Heimat“ – klingt recht tümelnd. Ist das gewollt?

Es ist Ergebnis der Trends, die wir vorgefunden haben: Derzeit gibt es viele Texte, die einerseits in der – unglücklichen – Kindheit spielen und zeigen, dass Kriegstraumata bis in die zweite Nachkriegsgeneration hineinwirken. Andere Texte wiederum spielen auf dem Land und stammen von Autoren, die aus der Provinz in die Großstadt kamen und deren Versprechungen als leer empfinden. Wenn man dann bedenkt, dass neuerdings der halbe Mittelstand Landzeitschriften liest, könnte man folgern, dass Literatur gesellschaftlichen Entwicklungen ganz konkret thematisch vorausläuft.  INTERVIEW: PS

Ziegel-Fest: 19.30 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38