LeserInnenbriefe
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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

EU-Stammtische

betr.: „Wehleidige Klagen“, taz vom 20. 8. 15

Eric Bonse schreibt: „Briten, Polen und Balten sollten auch mal Asylbewerber aufnehmen, Deutschland könne nicht alles allein stemmen, fordert der Stammtisch.“ Nicht nur der deutsche Stammtisch. Das fordern ebenso italienische und griechische Stammtische sowie ihre Regierungen, wenn man Italien oder Griechenland statt Deutschland schreibt. Völlig zu Recht, meine ich.

Noch ein leicht geändertes Zitat: „Dass Italien (Griechenland) Hunderte Millionen Euro EU-Hilfe zur Bewältigung der Flüchtlingskrise erhält, hat man aus Renzis (Tsipras’) Mund jedenfalls noch nicht gehört.“ Und diese Hunderte Millionen Euro werden auch in italienischen Zeitungen sorgfältig verschwiegen. Oder bekommt nur Deutschland diese EU-Hilfe?

SERGIO PARIMBELLI, Berlin

Häufiger Klartext sprechen

betr.: „Guter Til, schlechter Til“, taz vom 20. 8. 15

Mit Andreas Scheuer braucht nun niemand Mitleid zu haben. Dieser Mann hetzt, beleidigt und diffamiert selbst gern. Scheuer verkörpert genau den Politikertypus, an dem unsere Demokratie krankt. Er redet von Leistung und hat selbst gar nichts geleistet, er schimpft auf Betrüger und Schmarotzer und gehört selbst doch irgendwie dazu.

Dieser Mann hat nur Glück, in diesem Land und in dieser Zeit zu leben, und die Frechheit dabei ist, dass er wirklich meint, er habe zum Wohlstand der Republik beigetragen und das Recht, über andere Menschen verbal mit seinem Stammtischgetöse herzufallen, um am rechten Rand wieder Stimmen für seine Provinzpartei abzufischen.

Es sollte viel häufiger Klartext mit dieser Art von Politkarrieristen gesprochen werden, und es ist gut, wenn Herr Schweiger damit angefangen hat! MARKUS MEISTER, Kassel

Profitgier bleibt unangetastet

betr.: „Dr. Jekyll und das Kälberserum“, taz vom 19. 8. 15

Ich finde es sehr begrüßenswert, dass Hilal Sezgin die Grausamkeiten, die Menschen aus Profitgier schwangeren Kühen und ihren Kälbern antun, durch ihren Bericht ans Licht der Öffentlichkeit holt.

Nicht erwähnt hat sie, dass die Forschung sehr wohl auch ohne tierische Nährmedien aus Kälberblut funktionieren kann. Die britische Organisation Dr. Hadwen Trust etwa listet einige Hundert Nährmedien auf, die ohne Tierqual hergestellt und kommerziell angeboten werden.

Der Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ hat im Jahr 2011 Wissenschaftspreise an zwei Forschergruppen aus Kiel und Karlsruhe für tierversuchsfreie Krebsforschung ohne die Verwendung

tierischer Nährmedien vergeben. Die Grausamkeiten ließen sich also problemlos umgehen, allerdings würden etwas mehr Kosten entstehen und die Gewinne geschmälert. Und das geht natürlich überhaupt nicht!

Tiere müssen elendiglich verrecken – aber die Profitgier lebt unangetastet weiter. ANJA HALLERMANN, Braunschweig

Ungewohnte Blickwinkel

betr.: „Ruhrtriennale. Staub schmecken“, taz vom 19. 8. 15

Erfreulich, dass die taz sich feuilletonistisch engagiert. Allerdings sollte das kein Freibrief sein für Unbedarftheit.

Wenn die Rezensentin Eva Berger bei der Kohlenmischhalle der Zeche Lohberg in Dinslaken von einer „Kathedrale“ schwärmt, dann scheint sie die wirklichen Industrie-Kathedralen im Ruhrgebiet nicht zu kennen. Die Jahrhunderthalle in Bochum beispielsweise mit ihrer dreischiffigen Architektur und gotischen Fensterbögen.

Die Kohlenmischhalle in Lohberg ist zwar eine groß dimensionierte, aber die dreckigste, nüchternste Halle, die es gibt, und zudem fensterlos. Die Halle besteht aus einer Leimholzbinder-Konstruktion und ist nicht von ungefähr auf einer Seite offen. Eben Halle und keine Kathedrale.

In Bezug auf Pasolinis Film von „Lumpenproletariat“ zu sprechen, trifft auch daneben! Diese Menschen treffen sich Anfang der 1960er auf der Straße, weil sie beengt wohnen. Vittorio Cataldi, besagter Accatone, nimmt sogar eine Frau mit mehreren Kindern in seine Einzimmerwohnung auf und rettet sie vor dem Verhungern. Das sind die Verlierer einer neuen Industrialisierung und Urbanisierung der italienischen Nachkriegszeit. Aber in Lumpen – wie Penner – haust da niemand!

Und wenn die Rezensentin behauptet, Pasolini habe Kritik üben wollen am Konsumverhalten dieser Menschen und am Mediensystem, dann würde ich gerne wissen, welchen Konsum und vor allem welche Medien sie meint. Vielleicht ist für sie gar nicht vorstellbar, dass es damals keine Fernseher gab. Dann frage ich mich, warum die taz mit einem Artikel im Feuilleton nachkleckert, der veröffentlichte Ansichten allenfalls wiederkäut und keine weiterführenden begründeten Ansichten kundtut. Von einer taz-Rezension erwarte ich stichhaltige Beobachtungen und Bewertungen, die deutlich machen, warum die taz Feuilleton machen muss.

Wenn es um große „Kulturevents“ geht, sollten vielleicht ungewohnte Blickwinkel ins Visier genommen werden.

SABINE WEBER, Köln