Europas Krise

Am Mittwoch stimmt der Bundestag über das neue Griechenland-Paket ab. Doch die Skepsis in der Union wächst. Wie reagiert Merkel?

Die widersprüchliche Haltung zum IWF

Finanzen Der Bundestag soll am Mittwoch grünes Licht für das Griechenland-Paket geben. Doch der IWF droht, aus dem neuen Hilfsprogramm auszusteigen

Merkel braucht den IWF, um ihre CDU/CSU-Fraktion bei der Stange zu halten

BRÜSSEL taz | Kurz vor dem Bundestagsvotum zu Griechenland lebt der seit Monaten gärende Streit über den Internationalen Währungsfonds (IWF) wieder auf. Der IWF fordert eine massive Entlastung von der „untragbar“ gewordenen griechischen Schuldenlast und droht mit Ausstieg aus dem neuen Hilfsprogramm. Es gehe um „entscheidende Schuldenerleichterungen“, warnt IWF-Chefin Christine Lagarde.

Die Bundesregierung will den IWF unbedingt an Bord halten, sperrt sich aber gleichzeitig gegen einen Schuldenschnitt oder einen anderen spürbaren Verzicht zulasten der deutschen Steuerzahler. Ein „Haircut“ sei endgültig vom Tisch, dies sei „aus deutscher Sicht ein Erfolg“, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Die Beteiligung des IWF am neuen Programm sei aber trotzdem „unabdingbar“, hieß es in Berlin.

Die Bundesregierung bringt sich und den IWF damit in eine schwierige Lage. Denn der Fonds dürfte sich kaum mit den kosmetischen Zugeständnissen zufrieden geben, die Berlin gewähren möchte. Man könne über einen Tilgungsaufschub und längere Rückzahlungsfristen reden, heißt es im Hause von Finanzminister Wolfgang Schäuble. Damit wird die Schuldenlast jedoch nicht wirklich gedrückt; der Schuldendienst wird nur in die Zukunft verschoben.

Der IWF fordert aber eine echte, dauerhafte Entlastung. Schon bald werde die griechische Schuldenquote auf über 200 Prozent der Wirtschaftsleistung ansteigen, warnen die Experten in Washington. Als tragfähig gelten beim IWF aber maximal 120 Prozent. Neben einem Haircut haben die IWF-Berater auch direkte EU-Subven­tio­nen für das griechische Budget ins Spiel gebracht – doch darüber will in Berlin bisher keiner reden.

„Wir sind in einer Catch- 22-Situation“, räumte der finnische Finanzminister Alexander Stubb, ein enger Verbündeter von Schäuble, ein. Berlin versuche, zwei unvereinbare Forderungen unter einen Deckel zu bringen. Drastischer formuliert es der Ökonom Daniel Gros: „Schäuble schießt sich in den eigenen Fuß“, sagte der Chef des Brüsseler Thinktanks CEPS. Ehrlicher wäre es, auf die Beteiligung des IWF zu verzichten.

Doch das kommt für Kanzlerin Angela Merkel und ihren Finanzminister nicht infrage. Sie brauchen den IWF, um ihre CDU/CSU-Fraktion bei der Stange zu halten. Der IWF soll sicherstellen, dass harte Privatisierungen und Sozialkürzungen durchgesetzt werden – mit diesen neoliberalen „Reformen“ und anderen Grausamkeiten hat sich der Fonds weltweit einen fragwürdigen Ruf erworben.

Die SPD wäre bereit, offener über die Rolle des IWF zu diskutieren. Für die Fraktion sei die Beteiligung an einem neuen Finanzhilfeprogramm für Griechenland „ein zentrales Kriterium“, sagte SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider. Gleichzeitig verwies er aber darauf, dass die Eurozone mit dem Rettungsschirm ESM eine eigene Institution für die Finanzstabilität gegründet habe. „Europa muss in der Lage sein, die eigenen Probleme auch selbst zu lösen.“

Der IWF möchte über eine finanzielle Beteiligung erst im Oktober entscheiden.

Eric Bonse