Dunst über HipHop-County

OLD SCHOOL Die Crème de la Crème des HipHop geht für den Cutmaster GB an den Herd. Daraus wurde ein einzigartiges Kochbuch, zu dem die zauberhafte japanische Sprayerin Shiro die Illustrationen beisteuerte

Das Who’s who der Old School des HipHop ist dem kulinarischem Aufruf nachgekommen

Die Geschichte beginnt ungefähr so: 1998 weilte der Berliner DJ, Musikproduzent und Graffiti-Künstler Gerry Bachmann alias Cutmaster GB mal wieder in New York, um seinen HipHop-Freunden einen Besuch abzustatten. Man chillte zusammen, machte Musik und brutzelte am Herd. Und so hatte der Cutmaster plötzlich eine Erleuchtung: Er würde ein HipHop-Kochbuch schreiben.

Beim Grübeln fielen Cutmaster GB sofort Erlebnisse rund ums Thema Nahrungsaufnahme ein, etwa die ausufernde Schlacht am Buffet in einem Hotel während der Spring-Jam 1994, oder eine unerwartete Ketchupdusche in einem New Yorker Restaurant, in dem der Cutmaster mit Sprayer Katmando und Rapper RickSki dinierte.

Auch schmerzhafte Erfahrungen fließen ein: Wie sein DJ-Kollege Grand Mixer DXT einer extrem „spicy“ Pizza und ihrem tagelang loderndem Rachenfeuer durch Mc-Donald’s-Burger-Diät entgegenzuwirken versuchte.

Allmählich wurde Cutmaster GB klar: „Es gibt eine Menge Leute in der HipHop-Welt, die meine Leidenschaft für Essen teilen.“ Also dachte er sich ein ausgeklügeltes Buchkonzept aus: Sein Werk soll sich den eigenen Kochkünsten widmen und aus den Lieblingsrezepten der internationalen HipHop-Szene bestehen.

Beim Weihnachtsessen 2008, als sich um seinen Tisch etliche Gleichgesinnte gruppierten wie beim letzten Abendmahl, offenbarte er seine Idee – und erntete nichts als Unverständnis. Doch wer beharrt, wird selig: Selbst ewige Zweifler konnte der Autor überreden. Davon zeugt nun das „Hip Hop Cookbook“: Rund 40 KünstlerInnen, das Who’s who, der Old School des HipHop, sind seinem kulinarischem Aufruf nachgekommen.

Cutmaster GB selbst gehört zu den Pionieren der deutschen HipHop-Szene: Der erste deutsche U-Bahn-Wagen, der von oben bis unten mit Graffiti verziert wurde, geht auf ihn zurück. 1984 breakdancte er bei der Frankfurter Premiere von Charlie Ahearns HipHop-Film „Wild Style“. Er war auch Mitglied der HipHop-Organisation „Zulu Nation“, und betätigte sich als DJ der ersten deutschen Rap-Band, die von EMI unter Vertrag genommen wurde: Bionic Force.

So freut man sich, auf den Seiten etliche HipHop-Legenden wiederzutreffen, wie etwa den Puerto-Ricaner Charlie Chase, der sich als erster DJ aus der Latino-Diaspora einen Namen in der HipHop-Welt machte, oder die Rapperin Queen Lisa Lee, die 1984 mit ihrer Band Us Girls einen Gastauftritt im Film „Beat Street“ hatte.

Lustig, all die Legenden wiederzusehen – unter unerwarteten Umständen: nämlich im Dunst der Abzugshaube des Herds. Jedem Künstler, jeder Künstlerin ist eine Doppelseite gewidmet. Neben ausführlichen Biografien, reich illustriert mit Originalfotos und Flyern aus den Achtzigern, wurden sie bei der Küchenarbeit abgelichtet – mit beiden Händen Teig knetend, beim devoten Kräuterhacken oder Lammfleischzubereiten.

Die Gerichte heißen wahlweise „Easy Does It-Curry“, „Spaghetti à la Crazy“, oder „Breakfast Omelette for Funkateers“. Geschmack kennt keine Grenzen und auch entlegenere Gerichte finden ihr Zuhause im HipHop-Cookbook, wie etwa eine ghanesische Erdnusssuppe oder ein südafrikanisches Bobotie.

Klingt lecker? Sieht auch gut aus! Speziell für das Buch zaubert die japanische Sprayerin Shiro ein buntes „Character Bento“ im Style ihrer figürlichen Signatur. Von Kurtis Blow lernt man, wie Chicken Wings zu frittieren sind, und der Sprayer Bomber verrät, wie funky Krautsalat geht. Selbst bei den simpelsten Rezepten läuft einem das Wasser im Mund zusammen.

Eine erfreuliche Nachricht noch zum Schluss: Der pizzageschädigte Grand Mixer DXT wagt sich wieder an kulinarische Experimente mit Schärfe. Seine „DXT Biscuits“ genießt man am Besten mit einer speziellen spicy Barbecuesauce. ELISE GRATON

■ „Hip Hop Cookbook – Four Elements Cooking by Cutmaster GB“. From Here To Fame Verlag, Berlin 2012, 112 Seiten, 16,95 Euro