Willkommen in Heidenau

Flüchtlinge Flüchtlingsunterkünfte brennen, PolitikerInnen sind betroffen, die Polizei ist angeblich hilflos. Zeigt sich ein braunes Deutschland?

Spielzeug für Flüchtlinge in Berlin: „Moabit hilft“ trotzt staatlich organisierter Nichthilfe Foto: Björn Kietzmann

Eine Phrase

betr.: „Unfreundlicher Empfang für die Kanzlerin“, taz vom 27. 8. 15

Das war wieder mal ein typischer Merkel-Auftritt der reinsten Symbolpolitik. Darauf versteht sich unsere Kanzlerin. Ihr Satz: „Wir haben hier eine riesige Herausforderung, die wir nur gemeinsam bewältigen können“, ist doch nur eine abgedroschene Phrase ohne jeglichen Inhalt zur Bewältigung des ganzen Problems. Wie sie dies alles jetzt konkret angehen wird und möchte, dazu war so gut wie nichts von der Kanzlerin zu hören. Und einem direkten Gespräch mit der anwesenden Bevölkerung und dem pöbelnden Mob ging sie gleich aus dem Weg. Das ist traurig und beschämend zugleich.

Entsetzlich ist aber auch, welch diffamierenden Äußerungen sich die Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen hergibt. Da ist unheimlich viel Sprengstoff drin, den es schnellstens zu beseitigen gilt. Denn sonst passiert noch viel Schlimmeres in unserem Land.

Frau Merkel, hier erwarte ich etwas anderes als bisher von einer Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Bekennen Sie hier öffentlich Farbe, tun Sie was. Sagen Sie, wie Sie und Ihre Regierung dem Problem der unsäglichen Hetze beikommen wollen. Dabei sind auch mal deutliche Worte an die rechtsradikale Szene in unserem Land notwendig. Warum halten Sie nicht endlich mal eine Fernsehansprache an das deutsche Volk und sagen, was Sache ist? Sie müssen damit nicht immer bis zur rührseligen Weihnachtszeit warten. Zeigen sie endlich Führung! GÜNTER KÖHLER, Schwabmünchen

Feind steht links

betr.: „Nicht ein Täter von Heidenau sitzt in Haft“, taz vom 26. 8. 15

Angenommen eine linke oder auch nur linksverdächtige Gruppierung hätte eine Demonstration angemeldet, bei der eine solche „Eskalation mit Ansage“ zu befürchten gewesen wäre und bei der zu einer Straßenblockade aufgerufen worden wäre. Wie hätte dann die Polizeidirektion wohl den „Sicherheitsaufwand“ eingeschätzt? Wären dann auch die „Einsatzkräfte unterrepräsentiert“ gewesen? Ich gehe jede Wette ein, die Polizei wäre dann mindestens mit einer überrepräsentierten Hundertschaft angerückt, ausgerüstet mit Schlagstöcken, Pfefferspray und vielleicht noch mit Wasserwerfern. Aber der NPD-gesteuerten „bürgerlichen Mitte“ von Heidenau wollte man das natürlich nicht zumuten, denn die eigentlichen Staatsfeinde sind ja links.

Man muss nun nicht gleich klammheimliches Sympathisantentum unterstellen, aber klar wird dabei eindeutig, dass der braune Sumpf in diesem unseren Lande nie ausgetrocknet war und ist. Er gedeiht prächtig, erst im Verborgenen wabernd und jetzt ganz offen.

Die bedauernswerten Flüchtlinge sind dabei nur der Katalysator, der die Entwicklung offenbart.

KLAUS-ULRICH BLUMENSTOCK, Stuttgart

Sehr enttäuscht

betr.: „Wo Deutschland versagt“, taz vom 24. 8. 15

Es ist erstaunlich, wie schnell die Menschen vergessen. Es sind noch nicht viele Jahre vergangen, als DDR-Bürger in Westdeutschland anreisten, um ihr Begrüßungsgeld abzuholen. Aufbau Ost finanziert durch Solidaritätszuschlag. Arbeitsplätze für Ostdeutsche im Westen. Westrenten für Ostrentner. Die Westdeutschen haben hier viel getan für Menschen, die ihnen erst einmal völlig fremd waren. Niemand hat die Frage gestellt, ob hier geholfen werden soll – es wurde einfach geholfen.

Jetzt haben viele ostdeutsche Bürger ein Problem, anderen zu helfen, Flüchtlingen, die oft aus Staaten geflohen sind, die keine Demokratie kennen, in denen es keine Freiheit und Toleranz gibt. Viele Ostdeutsche verstehen ihre Freiheit nicht richtig anzuwenden, nutzen sie, intolerant und unmenschlich zu sein. Wer die „Wende“ und den Jubel damals erlebt hat, muss sehr enttäuscht sein vom Verhalten ostdeutscher Bürger. JOHANNES HUSTERT, Freising

Reiches Land

betr.: „Wieder rechte Gewalt vor Flüchtlingsheim“, taz.de vom 23. 8. 15

Wir sind ein verdammt reiches Land. Wir haben Milliarden in die Bankenrettung gesteckt, da werden wir doch noch ein paar Flüchtlinge aufnehmen und durchfüttern können.

Selten sieht man Proteste vor deutschen Rüstungsfirmen. Schade! Und warum eigentlich nicht? Wir sollten nicht jedes Regime hochrüsten, das sich später als „Schurkenstaat“ entpuppt.

ALEXANDRA DIBELIUS, taz.de

Polizeiversagen

betr.: „Wieder rechte Gewalt vor Flüchtlingsheim“, taz.de vom 23. 8. 15

Brauche ich eigentlich eine neue Brille? Sonst lese ich bei Demos immer, dass man aus dem ganzen Land die Hundertschaften ankarrt und dass dann die Polizei massivst Pfefferspray und Knüppel einsetzt und von Einkesselung und Festsetzung sowie Verbringung zur Wache zwecks erkennungsdienstlicher Behandlung! DAFÜRDAGEGEN, taz.de

NPD gut verankert

betr.: „In Dunkeldeutschland“, taz.de vom 28. 8. 15

Es hilft, die Situation und das Verhalten der Menschen vor Ort zu verstehen, wenn man selbst in Sachsen aufgewachsen ist. Rechtes Gedankengut ist seit vielen Jahrzehnten fest verankert. Schon in der Schule waren die „Rechten“ die mit dem meisten Respekt und extrem gefürchtet. Wenn man sich die Regionalwahlen anschaut, dann sieht man, wie stark auch der Einfluss der NPD in einigen Teilen Sachsens ist. Ab und an stellt man auch mal einen Bürgermeister.

Ich selbst kenne auch ganz „normale“ Leute, die versuchen, ihr Leben zu meistern, aber dumpfe Parolen aufgreifen und sofort alles glauben, was man ihnen erzählt. Das ist auch eine Frage der Bildung. Ich persönlich finde, dass in Sachsen die Politikverdrossenheit extrem höher ist als in den alten Bundesländern. Das würde auch die Wahlergebnisse von NPD & Co. oder der starken Alternative für Deutschland in Sachsen erklären.

RAINER BARTEL, taz.de

Helldunkel-BRD

betr.:„In Dunkeldeutschland“, taz.de vom 28. 8. 15

Auch wenn die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit im Osten bis zu 10 Prozent höher liegt als im Westen, sollten wir dennoch über das Grundsätzliche diskutieren. 35–45 Prozent, dazwischen variieren die abwertenden Einstellungen im Bundesschnitt. Für mehr als 1/3 der Menschen in Deutschland gehören Neid- und Hassdenke zur alltäglichen Innenausstattung. Jüngste Daten hierzu liegen aus dem letzten November bei der Friedrich-Ebert-Stiftung vor.

Es fällt natürlich leicht, immer wieder billige Stereotype wie Dunkel- vs. Helldeutschland zu beackern, das Leben der Menschen findet aber dennoch in Helldunkeldeutschland statt.

Die große Gefahr für die Gesellschaft liegt nicht im Extremismus, sondern in der Stereotypie und den eng damit verzahnten Symbolpolitiken. Erst hinter diesen wird es wirklich dunkel, denn dort lauern die Monstren der Macht- und Interessenpolitik. FILOU SOPHIE, taz.de