Flüchtlingshilfe
: Herausaus derKomfortzone

Hamburger Soundtrack

von Nils Schuhmacher

Wer so richtig moralisch verkommen ist, kommt dieser Tage voll auf seine Kosten. In die eine Richtung muss man das massenhafte Sterben im Mittelmeer und auf Autobahnen nicht unter menschlichen Aspekten betrachten, sondern kann das Ganze als Kollateralschaden eines bedrohlichen Massenansturms auf die eigenen Gefilde bedenkenlos zur Seite schieben.

In die andere Richtung kann man seinem Hass freien Lauf lassen: gegen die Fremden, die schon da sind, gegen die, die man so für fremd hält, aber auch gegen das Joch der Gutmenschen und eine Welt, die aus den Fugen gerät, während man selbst nicht versteht, warum. Manche Ältere werden sich angesichts dieser Dynamik, in der Neonazis, Rechtspopulisten und „normale“ Bürger zu einer wundersamen Allianz verschmelzen, an die frühen 1990er-Jahre erinnern.

Die Künstler sind bei alldem natürlich „nicht überflüssig“, wie Funny van Dannen einst anmerkte, und zwar, „weil sie was zu sagen haben“. Roland Kaiser hat sich von Pegida distanziert, Joko und Klaas sich mit allen Rassisten auf Facebook entfreundet, der immer belächelte Til Schweiger hat es sogar nicht beim Reden belassen und will sich aktiv in der Flüchtlingshilfe engagieren.

Worauf man noch wartet, ist ein Zeichen aus der Popmusikwelt. Immerhin kann daran erinnert werden, dass sich zum Beispiel im Kontext einer Musikmesse – der Popkomm – Anfang der 1990er-Jahre die sogenannten Wohlfahrtsausschüsse bildeten, eine Allianz verschiedener MusikerInnen, die mit ihren Mitteln intervenierten und nicht zuletzt zur Politisierung der hiesigen Popkultur-Debatte beigetragen haben.

Vielleicht war diese Allianz auch nur eine Marginalie und Initiativen wie BAPs „Arsch huh, Zäng ussenander“ waren deutlich wichtiger, weil öffentlichkeitswirksamer. Egal. Beides waren genau die Versuche, deren Neuauflage man jetzt nur begrüßen kann. Und sie beschränken sich dann hoffentlich nicht auf die Konzertsäle in den großstädtischen Komfortzonen.