LeserInnenbriefe
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Angebliche Landwirte

betr.: „Der Aufstand der Biogasbauern“, taz vom 11. 8. 15

Diese angeblichen Landwirte, die Deutschlands Agrarlandschaft wissentlich mit bodenauszehrenden und artenvertreibenden Maisfeldern vollpflastern, verklagen den Staat auf entgangene oder zukünftige Gewinne und erheben sogar „Anspruch auf den Landschaftspflegebonus“ aus Steuerzahlers Kasse. Die unglaubliche Chuzpe, mit der die Biogaslobby jetzt in Karlsruhe ihre fetten Profite aus der Staatskasse festschreiben lassen will, lässt ahnen, was uns blüht, wenn solche Anmaßungen demnächst vor geheimen privaten Gerichten ausgekungelt werden sollen. DIETER SCHWARZ, Schwerin

Verdis Alleinvertretungsanspruch

betr.: „Solisten gegen die Sozialgesetze“, taz vom 12. 8. 15

Vielen Dank an Frau Dribbusch für den Artikel über uns Solo-Selbstständige. Zu der Aussage von Verdi, dass die Selbstständigen sich davor drücken, in die Sozialsysteme einzuzahlen: Ich bin in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert und zahle als Selbstständige freiwillig Beiträge an die Deutsche Rentenversicherung. Einerseits, weil mir soziale Sicherungssysteme sympathisch sind, und andererseits, weil ich mir als politisch aufmerksamer Mensch Gedanken mache, ob das Versprechen der privaten Versicherungssysteme, mir in 20 oder 30 Jahren Rente und bezahlbare Gesundheitsversorgung zu liefern, realistisch ist.

Mit einer Sozialversicherungspflicht für Selbstständige hätte ich kein Problem. Was ich nicht in Ordnung finde, ist der Alleinvertretungsanspruch der Gewerkschaften für uns Solo-Selbstständige. Ich bin gerne selbstständig, ich möchte meine eigene Chefin sein und bleiben. Es findet in Berlin seit Monaten eine politische Diskussion (Stichwort Werkverträge) zur Zukunft von Solo-Selbstständigen statt, in der sich die Gewerkschaften als diejenigen einbringen, die vermeintlich die Interessen aller Solo-Selbstständigen vertreten. Das ist nicht in Ordnung! Ich spreche es Verdi ab, dass Verdi weiß, was in meinem Interesse ist. Ich habe vor Jahrzehnten einen Beruf gewählt, in dem freiberufliche Tätigkeit möglich ist. Es darf nicht sein, dass das im Ministerium von Frau Nahles in Arbeit befindliche Gesetz am Ende dazu führt, dass ich als Solo-Selbstständige nicht mehr legal in Deutschland arbeiten darf. ANGELIKA BERNARD, Stuttgart

Alle wollen die Energiewende?

betr.: „Sonnenstrom holt erstmals Atomkraft ein“, taz v. 6. 8. 15

Alle wollen die Energiewende. Wenn der Zubau neuer PV-Anlagen von 2010 bis 2012 jeweils über 7 GW lag, sollte er durch die EEG-Neuregelungen der Großen Koalition in einen Korridor von 2,4 bis 2,6 GW gebracht werden. Die Neuregelungen wirkten aber so scharf, dass der Korridor bereits 2014 mit 1,95 GW weit verfehlt wurde. Für 2015 ist mit einem Zubau deutlich unter 1,5 GW zu rechnen. Bis 2013 war eine vielfältige Modulproduktion in Deutschland entstanden, die sich durch eine geschickte Verbindung zwischen Forschung und Produktion auf internationalem Spitzenniveau bewegte. Die erste Wirkung der EEG-Neuregelungen war der Einbruch der Inlandsnachfrage nach PV-Modulen, worauf alle deutschen Firmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten. Die wenigsten überlebten. Wie viele Arbeitsplätze dabei zerstört wurden? Die Hochqualifizierten haben meist wieder Arbeit gefunden. Aber der Verlust an Know-how ist unersetzlich. Mit der EEG-Neuregelung wurden auch „Stellschrauben“ angekündigt, die greifen sollten, wenn der Zubau unterhalb des Korridors bleibt. Offenbar haben sie keine Wirkung. Nun sollte man schleunigst Maßnahmen ergreifen, die den Abwärtstrend stoppen. Eine Aufhebung der EEG-Abgabe für den Eigenverbrauch von PV-Strom könnte ein gutes Signal an die potenziellen Betreiber kleiner Anlagen sein. JÖRG NEUMANN, Berlin

Strafaktion für falsches Wählen

betr.: „Raketen statt Honkong“, taz vom 12. 8. 15

Kaum je hat sich Susanne Knaul so deutlich den Positionen der israelischen Politik angenähert: Die Palästinenser im Gazastreifen sind selbst schuld an ihrer erbärmlichen Lage. Hat Scharon nicht mit den besten Absichten 2005 die 8.000 Siedler aus dem Gazastreifen zurückgeholt und den Palästinensern das Land übergeben, aus dem nun blühende Landschaften („ein Hongkong“) werden konnten? Und was tun sie zum Dank? Sie wählen statt der (korrupten) Fatah die radikale (und tatsächlich eklige) Hamas. Die hält sich an keine Absprachen. (Moment: Es hieß immer, dass Scharon „einseitig“, demnach also ohne Absprachen gehandelt hatte.) So blieb Israel gar nichts anderes übrig, als zum „Boykott“ zu schreiten.

Boykott? Israel hat den Gazastreifen seither so abgeriegelt, dass Personen und Waren nur in äußerst reduzierter Form (mal mehr, mal weniger) die Grenze passieren können. Militärisch ergibt es keinen Sinn: Um iranische Waffenlieferungen zu stoppen, würde eine Überwachung zu See genügen. Um die Bevölkerung von Hamas abzubringen? Das hat nun 10 Jahre nicht funktioniert. Letztlich also eine reine Strafaktion für falsches Wählen? Wobei auch diese Abriegelung international als Besatzung angesehen wird und diese zumindest implizit völkerrechtswidrig ist. Okay, da gibt es die ebenfalls völkerrechtswidrigen Raketen auf Israel mit den entsprechenden Kriegen als Reaktion. Aber wo ist die Henne und wo das Ei? ANDREAS UNGER, Berlin