heute in Bremen
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„Klotz mit Durchgang“

dEMO Zu Baubeginn am Bahnhofsvorplatz wird gegen die zementierte Privatisierung protestiert

Claudia Bernhard

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54, baupolitische Sprecherin und Vize-Vorsitzende der Linksfraktion in der Bürgerschaft.

taz: Frau Bernhard, Sie rufen zur Demo gegen den ersten Spatenstich für – ich zitiere – „ein nutzloses Betonungeheuer“ am Bahnhof auf ...

Claudia Bernhard: Ja, dagegen, dass dort der neue Bürgermeister Carsten Sieling und der Bausenator Joachim Lohse diese Scheußlichkeit weiter voranbringen.

Sie halten Max Dudlers Bauten, die am Bahnhofsvorplatz entstehen sollen, für scheußlich?

Ja. Das, was dort geplant ist, wird ein abweisender Klotz – auch wenn man ihn, wegen der anhaltenden Proteste, jetzt in der Mitte teilt: Dann wird es halt ein Klotz mit Durchgang, der in den Simulationen zudem künstlich geweitet wird.

Durch Fischaugen-Optik?

So sieht das für mich aus. Das ist ein sehr hermetischer Bau von beträchtlicher Höhe, wenigstens für Bremen.

Also geht es hier um eine anerkannte, aber unpopuläre Ästhetik, eine Geschmacksfrage?

Es geht hier nicht nur um Geschmack, das ist genauso eine gesellschaftliche Frage: Ich denke allerdings, dass sich das nicht voneinander trennen lässt, bei einem städtebaulich so zentralen Vorhaben: Wenn dort ein brutaler Klotz hinkommt statt eines Platzes, der zum Verweilen einlädt, ist das eine soziale Frage, aber eben auch ein ästhetisches Problem.

Aber genau deshalb gibt es ja Jurys – und Dudlers Entwurf hat den Wettbewerb gewonnen.

Ja, aber schon die Ausgangsposition, der Auftrag des Wettbewerbs, war problematisch: Eine Option, dabei eine grüne, großzügige Lösung einzureichen, wäre da von vornherein durchs Raster gefallen: Von den Vorfestlegungen her betrachtet ist es kein Wunder, dass man dann bei einem Beton-Baukörper von beklemmender Fantasielosigkeit und ohne jedes Verhältnis zu einem Platz als öffentlichem Raum mit Aufenthaltsqualität gelandet ist.

Das entspricht halt dem Bedürfnis des Investors?

Das ist das Einzige, was zählt. So wirkt es auf mich: Wie ein baulicher Ausdruck dessen, dass hier wieder etwas mehr Stadt auf ganz hässliche Weise privatisiert worden ist.

Außer der Aufenthaltsqualität, über die man streiten kann, geht ja auch ein Platz für politische Kundgebungen flöten.

Das stimmt: Wenn der Markt belegt war, ist man mit Kundgebungen auf den Bahnhofsvorplatz gegangen. Wir hatten sowohl 2007 als auch 2011 dort im Wahlkampf Veranstaltungen, das war geradezu schon klassisch. In der Diskussion hat diese Funktion aber keine Rolle gespielt.

Mit Absicht?

Das wurde ausgeblendet. Aber klar, sowohl für Obdachlose als auch für Demos gilt: besser, man hat keinen Platz.

interview: bes

Bahnhofsvorplatz, 12 Uhr