LeserInnenbriefe
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Ein Trauerspiel

betr.: „Ihre Fabriken verursachen Flucht“, taz vom 20. 8. 15

Ich hoffe, die Äußerungen von Rex Osa aus Nigeria sind erst der Anfang einer Debatte über eine der Ursachen für die Wanderungsbewegungen von Menschen aus den Ländern des Südens nach Europa. Und hoffentlich folgen daraus noch weitere Aktionen wie der Protest vor den Toren der Firma Diehl. Leider hat es im Januar vor der Firma Rheinmetall keine Demonstration gegen Herrn Niebel gegeben, als er dort seinen Job als Förderer der Herstellung und des Verkaufs von Kriegsmaterial angetreten hat.

Egal wie man die derzeitige Entwicklungspolitik bewertet, muss ich konstatieren, dass die meisten Politiker kein großes Interesse an einer Verbesserung der Lebensbedingungen für die Menschen in den Ländern des Südens haben. Stattdessen wird weiter aufgerüstet.

Zum Beispiel hat Frau von der Leyen Anfang Juli bei einem Nato-Festakt zugesagt, die Militärausgaben alsbald von 1,2 Prozent auf 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen. Demgegenüber dümpeln die Ausgaben des BMZ seit Jahren vor sich hin. Sie liegen derzeit bei 0,23 Prozent des BIP, obwohl sich Deutschland seit Jahrzehnten gemäß einem Beschluss der UNO zu einer Höhe von 0,7 Prozent des BIP verpflichtet hat.

Auswirkungen der Kriegsproduktion erleben wir hier als Flüchtlingsdramen, auf die die deutschen Politiker keine adäquaten Antworten haben. Wann werden die führenden europäischen Politiker endlich zu Flüchtlingen? Eigentlich müssten sie schon längst geflüchtet sein angesichts ihrer Unfähigkeit, auf die Wanderungsbewegungen von Menschen aus vielen Ländern des Südens nach Europa eine menschlich adäquate Politik zu formulieren und in die Praxis umzusetzen.

Was sich derzeit insbesondere die Politiker in Deutschland leisten, ist ein Trauerspiel. Die Politiker reagieren hilflos, anstatt zukunftsweisend zu agieren. HILMAR FROELICH, Oldenburg

Erkannt, aber folgenlos

betr.: „Schlötterers Enthüllungen“, taz vom 22. 8. 15

Vielen Dank für den ausgezeichneten und exzellent geschriebenen Beitrag der Schriftstellerin Petra Mosbach über die seit Strauß in der bayerischen Regierung wuchernde Kultur der Korruption.

Im Zentrum des Beitrags steht die Frage, warum die Erkenntnisse, die Wilhelm Schlötterer als Insider in seinen beiden Büchern „Macht und Missbrauch“ (Spiegel-Bestseller!) und „Wahn und Willkür“, so minutiös beschreibt und entlarvt (und die die Leser entsetzt und hilflos zurückgelassen hätten), keine Folgen haben. In der Tat, zielt diese Frage ins Zentrum unserer Demokratie. Die Frage von Petra Mosbach an die Presse: Weshalb bleibt die Debatte um Schlötterers Enthüllungen aus? Und welche Motive könnte es dafür geben?

Eine (Teil-)Antwort darauf gibt Prof. Rainer Mausfeld, Kognitionspsychologe an der Universität Kiel, in seinem viel beachteten Vortrag vom 22. 6.: „Warum schweigen die Lämmer? Demokratie, Psychologie und Techniken des Meinungs- und Empörungsmanagements“. Die Nachdenkseiten verwiesen darauf. https://free21.org/de/content/transcript-prof-dr-rainer-mausfeld-warum-schweigen-die-lämmer DIETER LEHMKUHL, Berlin

Glücksmoment

betr.: „Schlötterers Enthüllungen“, taz vom 22. 8. 15

Ein riesengroßer glücksmoment am frühstückstisch, dieser kommentar von petra mosbach. diese mischung aus analyse, biss und aufklärung ist eine perle in den trüben gewässern des journalismus. MARTIN HEMMERS, Augsburg

Das Systemchen

betr.: „Schlötterers Enthüllungen“, taz vom 22. 8.15

Ohne die, von erzkatholischer Seite, geschürte Angst vor dem Antichristen, ob in Form eines Seelen verderbenden Wesens, als Sozi oder atheistischer „Russe“, ist das System Strauß und der bayerische Umgang damit nicht zu verstehen. Im Kleinen lebt das Systemchen wohl noch ein paar Generationen fort.

WINFRIED BECKER, Kempten

Ein gesegnetes Alter

betr.: „Mister Ostpolitik“, taz vom 21. 8. 15

Es würde anders auf der Welt zugehen, wenn es mehr Politiker geben würde, wie Egon Bahr und Willi Brandt es gewesen waren – schöner, besser. Hier war die oberste Prämisse allen Handelns Verantwortungsbewusstsein, Unbestechlichkeit, Gewissen, Respekt vor dem Menschen. 93 Jahre und bei klarem Verstand bis zum Schluss – ein gesegnetes Alter, sagt ein inzwischen 80-Jähriger.

Es sei ein Satz von Willy Brandt zitiert, den sich alle mehr oder weniger schlecht amtierenden und vom Lobbyismus gesteuerten Staatsfrauen und -männer in den Kalender schreiben sollten:

„Recht und Gesetz beruhen zuallererst auf Gerechtigkeit: Schutz der Schwachen, Bändigung der Mächtigen und der Übermütigen; sie erfordern einen Staat, der das Notwendige – mit Hilfe klarer Gesetze und einer effektiven Verwaltung – auch gegen die geballten Interessen der Privilegierten durchsetzen kann.“

HARTMUT WOHLER, Berlin