Gottschalk sagt
: Öch brauche möhr Cröck!

Endlich grauer Himmel. Lang währte das sonnige Wetter und trieb uns hinaus in die Naherholungsgebiete. Letzten Sonntag haben meine Freundin und ich den absoluten Klassiker unter den nordrhein-westfälischen aber auch rheinland-pfälzischen Sonntagsausflügen gemacht, wir waren am Drachenfels. Der Ausblick über das Rheintal ist dort wirklich spektakulär. Allerdings: Wenn Landschaften deutschtümeln können, diese tut es auf das schwermütigste, selbst bei strahlendem Sonnenschein.

Kein Wunder, dass „Schloss Drachenburg“ (in der Nähe von Parkplatz 6) von den Nazis als „Adolf-Hitler-Schule“ genutzt wurde. Hitler begegnet einem heute noch im Naturschutzmuseum, das im ehemaligen Wirtschaftsgebäude untergebracht ist. Im „Raum der Stille“ kann man sich naturphilosophische Texte anhören, gelesen von Bruno Ganz, dessen Stimme mich an seine eitle Darstellung des Führers in „Der Untergang“ denken lässt, während ich beim Schauen von „Der Untergang“ die ganze Zeit an Walter Moers‘ Meisterwerk „Adolf, die Nazisau“ denken musste, kurz, höre ich Bruno Ganz‘ Stimme, denke ich automatisch an meinen Lieblingssatz aus dem Moers-Buch: „Öch brauche möhr Cröck“. So stand ich im Naturschutzmuseum, im „Raum der Stille“, und dachte „Öch brauche möhr Cröck“. Da kann ich doch nichts für.

Ob Crack die richtige Droge gewesen wäre, um den Aufstieg auf den Drachenfels zu bewältigen, wage ich zu bezweifeln. Wir nahmen lieber ein Kännchen Kaffee Hag, bevor wir uns mit etwa fünftausend anderen Spätsommerfrischlern auf den Weg nach oben machten. Vor mir wiederholte ein etwa achtjähriges Mädchen ständig sein Mantra: „Null Action, megalangweilig, null Action, megalangweilig.“ So schlechtes Deutsch lernen sie heute im Kinderfernsehen.

Oben angekommen guckt man runter, murmelt beeindruckt „Megaschön! Rheinromantik pur“ und dann geht man wieder runter. Wer bei Trost ist, kann natürlich auch etwas anderes murmeln.

Vor dem Abstieg kann man auch einen Euro in einen Automaten werfen, und bekommt dann von einem Drachen die Siegfriedsage erzählt. Dabei liegt doch der Verdacht nahe, dass die Sage in Drachenkreisen völlig falsch wiedergegeben wird. Der Drache stirbt schließlich. Aber vielleicht sind Tiere (und Untiere wie Drachen) da anders als wir Menschen. Die fröhlichen Schweinchen im Schaufenster der Metzgerei werben ja auch ganz begeistert für ihren eigenen Verzehr. Härter drauf ist da nur noch das singende Bonduelle-Zartgemüse!

Fotohinweis: CHRISTIAN GOTTSCHALK lebt in Köln und sagt die Wahrheit – alle zwei Wochen in der taz nrw