Flüchtlinge

Asylsuchende trotzen auf ihrer Reise nach Europa Gewalt, Not und Lebensgefahr. Im sächsischen Heidenau sind sie nicht willkommen

Auf der Flucht vor Polizeiknüppeln und in Seenot

Fluchtrouten Mazedonien lässt wieder Flüchtlinge von Griechenland herein und schickt sie mit Sonderzügen weiter. Die italienische Küstenwache rettet über 4.000 Menschen aus dem Mittelmeer. Aber immer wieder kommen neue Notrufe

Seit Jahresbeginn sind mehr als 100.000 Bootsflüchtlinge in Italien und fast 150.000 in Griechenland angelandet

von Klaus Hillenbrand

BERLIN taz | Es sind Bilder wie aus einem Krieg. In Mazedonien haben die Behörden am Wochenende versucht, ihre Grenze zu Griechenland für die Flüchtlinge zu schließen. Tausende Menschen mussten auf griechischer Seite bei Regen und ohne ausreichende Versorgung mit Wasser und Essen im Freien campieren. Mazedonische Sicherheitskräfte setzten Schlagstöcke und Blendgranaten ein, um Grenzübertritte zu verhindern. Flüchtlinge setzten sich auf die Bahngleise und blockierten den internationalen Eisenbahnübergang.

Am Samstagnachmittag durchbrachen etwa Tausend Flüchtlinge die mit Stacheldraht gesicherten Grenzabsperrungen und stürmten auf mazedonisches Staatsgebiet. Vor diesem Ansturm kapitulierten die Sicherheitskräfte. Nach Angaben aus Polizeikreisen habe man etwa 4.000 Migranten Dokumente zur Weiterreise ausgestellt.

Am Sonntag blieb die Polizei an der Grenze zwar präsent, griff aber nicht mehr ein. Vom mazedonischen Grenzbahnhof Gevgelija starteten mehre Sonderzüge. Auch mit aus dem ganzen Land angeforderten Bussen und Kleinbussen wurden die Menschen so rasch wie möglich bis zur serbischen Grenze befördert. Von dort versuchten sie, durch Serbien in das EU-Mitgliedsland Ungarn zu gelangen, und weiter bis nach Mitteleuropa.

Auf der anderen großen Fluchtroute nach Europa, im Mittelmeer zwischen Libyen und Sizilien, gerieten am Wochenende mehr als 4.000 Flüchtlinge in Seenot. Die italienische Küstenwache erhielt Notrufsignal von über einem Dutzend völlig überladener Kleinschiffe und Schlauchboote.

Bis zum Sonntag konnte die Küstenwache 4.150 Flüchtlinge retten, berichtete Flavio Di Gia­como vom italienischen Büro der Internationalen Organisation für Migration (IOM). An der Aktion waren auch Schiffe aus Norwegen und Irland beteiligt, die dort im Rahmen der EU-Grenzschutzmission „Triton“ kreuzen.

Zugleich gingen drei weitere Notrufe von Flüchtlingsbooten ein. Daraufhin wurden Frachtschiffe, die sich in der Nähe befanden, von der italienischen Küstenwache umgeleitet.

Nach IOM-Angaben sind seit Jahresbeginn mehr als 100.000 Bootsflüchtlinge in Italien angekommen. Im gleichen Zeitraum seien fast 150.000 in Griechenland angelandet. Die Organisation bezifferte die Zahl der im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge im laufenden Jahr auf 2.365.

Während die Flüchtlinge von Italien häufig über die offenen EU-Grenzen nach Norden weiterreisen, müssen die Menschen, die Griechenland erreicht haben, auf dem Weg nach Mitteleuropa zunächst die EU wieder verlassen.

Ein Sprecher des mazedonischen Innenministeriums erklärte, die Polizei wolle keine Gewalt gegen Flüchtlinge anwenden, werde die Grenze aber weiter kontrollieren. Den „Kapazitäten entsprechend“ würden in den kommenden Tagen weitere Flüchtlinge ins Land gelassen.

Zunächst aber sollten die im mazedonisch-griechischen Grenzbahnhof Gevgelija angekommenen Migranten das Land in Richtung Serbien verlassen. Dort trafen am Sonntag nach Angaben der Regierung in Belgrad etwa 5.000 Flüchtlinge aus Mazedonien ein. Auch Serbien will die Flüchtlinge möglichst rasch wieder aus dem Land zu bringen.

„Die mazedonische Polizei sagte uns: Willkommen in Mazedonien. Züge und Busse warten auf Sie“, sagte der Flüchtling Abdullah Bilal überrascht, der aus dem syrischen Aleppo stammt, gegenüber dem Guardian. Er war gerade aus Griechenland gekommen.

Dort, auf der griechischen Seite der Grenze zu Mazedonien, warteten am Sonntag noch rund Tausend Flüchtlinge auf die Weiterreise. Im Niemandsland zwischen Gevgelija und dem griechischen Dorf Idomeni verharrten etwa 200 Menschen. Und Hunderte neue Flüchtlinge trafen in Idomeni aus den nächsten griechischen Stadt Kilkis ein.

Tausende Menschen werden in diesen Tagen aus der Türkei kommend über Kos und andere griechische Ägäisinseln EU-Territorium erreichen.

Daher ist zu erwarten, das die Zahl der Flüchtlinge, die sich über Mazedonien auf die Weiterreise nach Serbien macht, keinesfalls abnehmen wird.