Ende der Bremer „Spielermentalität“?

Der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ist ein großer Kritiker der Bremer Sanierungsstrategie. Sein Staatssekretär Hubert Schulte, ein Finanzexperte mit großer Stadtstaaten-Erfahrung, soll nun Chef der Bremer Senatskanzlei werden. Wird er die Sarrazin-Linie in Bremen einführen?

Herr Schulte, Sie wollen aus dem großen Berlin ins kleine Bremen kommen – ist das eher das Private oder das Berufliche, das Sie motiviert?

Hubert Schulte, künftiger Chef der Bremer Senatskanzlei: Das Berufliche. Wobei ich sagen muss, dass meine Frau spontan gesagt hat: „Mit Bremen wäre ich einverstanden.“ Bremen hat für mich beruflich einen Reiz, weil es etwas Besonderes ist, für einen Stadtstaat mit großer Tradition an dieser Stelle koordinierend und auch gestaltend tätig zu sein, wo mein Vorgänger ja auch ein bestimmtes Profil entwickelt hat. Ich bin in zwei Stadtstaaten gewesen, in Hamburg und in Berlin, jetzt kommt der dritte dazu.

Sie wechseln von einem rot-roten Senat zu einem Schwarz-Roten – das schreckt Sie nicht?

Ich habe eine sehr reichhaltige Koalitionserfahrung – mit der FDP, der Stattpartei in Hamburg und den Grünen, jetzt mit der PDS in Berlin. Die CDU fehlt mir noch.

Bremen habe mit „ein bisschen Spielermentalität“ die Sanierungsmilliarden ausgegeben, sagte Ihr Senator Sarrazin einmal. Ist das auch Ihre Auffassung?

Sagen wir einmal so: Ich finde die Kritik in einem Punkt ein Stück ungerecht, weil sie zu wenig berücksichtigt, dass Bremen in der Vergangenheit immer an den Finanzplanungsrat berichtet hat, an den Bund und an die Länder, wie es seine Politik gestaltet, und eigentlich ist es immer akzeptiert worden. Deswegen finde ich eine rückwärts gerichtete Diskussion nicht besonders hilfreich.

Aber vorwärts gerichtet wäre doch Ihre Berliner Position, dass ein Haushaltsnotlagen-Land seine Investitionsausgaben massiv beschränken muss, um eine weitere Neuverschuldung zu vermeiden.

Das ist jedenfalls die Position des Berliner Finanzsenators. Ob das die richtige Position für Bremen ist, das werden wir diskutieren müssen – nicht wegen des Wechsels der Personen, sondern weil es da eine neue Konstellation gibt: Nach dem Auslaufen der Sanierungshilfen müssen wir sorgfältig diskutieren, wie man sich mit Blick auf das neue Verfahren in Karlsruhe und mögliche anschließende Verhandlungen positionieren muss.

Der Berliner Finanzsenator hat in seinem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht die Position formuliert, dass der Bremer Weg, mit großen Investitionen die Wirtschaftskraft zu stärken, völlig falsch war und überhaupt nicht zu einer Sanierung der Staatsfinanzen führen konnte.

Das Land Berlin hat die Finanzwissenschaftlerin Gisela Färber mit einem Gutachten beauftragt und das steht da drin.

Muss ein Haushaltsnotlageland die Ausgaben – auch die Invstitionsausgaben – drastisch einschränken?

Es steht in dem Maßstäbegesetz, dass jedes Land die ihm zumutbaren Eigenanstrengungen leisten muss. Daran wird insbesondere der erste Haushaltsplan nach dem Ende der Sanierungszahlungen, der Bremer Doppelhaushalt für 2006/2007, gemessen werden – auch vor dem Bundesverfassungsgericht.

Wenn Sie am 1.12. nach Bremen kommen, sind für den Doppelhaushalt und damit für die nächsten zwei Jahre alle Weichen gestellt, Sie können keinen Einfluss mehr nehmen.

Ich werde versuchen, möglichst bald in Bremen anzutreten.

Interview: kawe