Immer dieselbe alte Scheiße

Dino Nach peinlichem Pokal-Aus und Zettel-Gate: Die Bundesligasaison hat noch nicht begonnen, aber der Hamburger SV steckt schon wieder in der Krise

Ohne Durchblick: HSV-Stürmer Pierre-Michel Lasogga gegen Justin Gerlach von Carl Zeiss Jena Foto: dpa

aus Hamburg Hendrik Buchheister

Der Hamburger SV wollte nicht gesehen werden. Trainer Bruno Labbadia hatte seine Mannschaft zum Straftraining einbestellt am Vormittag nach der 2:3-Niederlage in der ersten Pokalrunde in Jena. Hinter weißen Planen machten die Spieler am Montag ihre Übungen. Ein paar Fans suchten nach Lücken im Sichtschutz, die Arbeit von Kameraleuten und Fotografen war erheblich erschwert. Doch dramatisch ist der Rückzug in die Unsichtbarkeit nicht, den der Verein seit einiger Zeit praktiziert. Denn die meisten Menschen, die eine emotionale Bindung zum HSV pflegen, wollen ihren Klub ohnehin lieber nicht sehen im Moment. Wie in einer Beziehung, in der es Streit gegeben hatte. Und selbst der beste Sichtschutz kann nicht verhindern, dass aus dem Volkspark Kurioses und Dramatisches an die Öffentlichkeit dringt.

Die Bundesligasaison hat noch nicht angefangen, doch die Hamburger sind schon wieder im Katastrophenmodus wegen des Ausscheidens in der ersten Pokalrunde bei einem Viertligisten, und weil im Nachgang der Partie in Jena eine Geschichte auf den Markt kam, die so seltsam ist, dass man sie selbst dem HSV nicht zugetraut hätte. Die Bild-Zeitung hatte bekannt gemacht, dass eine Altenpflegerin in einem Park im Stadtteil Othmarschen geheime Dokumente des Bundesligisten gefunden habe, darunter Gehaltslisten und Abmachungen mit dem zur neuen Saison verpflichteten Abwehrspieler Emir Spahić. Die Unterlagen stammten aus einem Rucksack, der Sportchef Peter Knäbel gestohlen worden war. Knäbel gestand, dass er den Verlust erst nach ein paar Tagen bemerkt hatte. Das Zettel-Gate ist undurchsichtig, aber zusammen mit der Pokalblamage dafür verantwortlich, dass die Vorfreude auf den Saisonstart bei vielen Fans ungefähr so groß sein dürfte wie die Lust auf eine Expedition in die sibirische Steppe. In Rekordzeit haben sich die Hoffnungen zerschlagen, dass beim HSV alles gut werden würde nach dem zweiten Fast-Abstieg in Folge.

Die Hamburger haben sich ja größte Mühe gegeben in der Sommerpause, einen seriösen Eindruck zu vermitteln. Der Klub tätigte sinnvolle Verpflichtungen in Albin Ekdal, Sven Schipplock, Gōtoku Sakai, Michael Gregoritsch und Spahić, der in Leverkusen zum Prügel-Profi geworden war, sich in den ersten Wochen in Hamburg aber sichtlich um seine Resozialisierung bemühte. Die Testspielergebnisse waren ordentlich, und Trainer Bruno Labbadia strahlte eine unzähmbare Zuversicht aus, ohne allerdings dem Größenwahn zu verfallen. Es sah aus, als habe der Klassen­erhalt in letzter Sekunde in der Relegation gegen Karlsruhe einen neuen Geist einkehren lassen beim HSV. In Jena trat die Mannschaft allerdings erschütternd uninspiriert auf und verlor zu Recht. „Wir sind nicht an und über unsere Grenzen gegangen“, klagte Trainer Labbadia. Die Kunst sei nun, nicht alles niederzureden, was in der Sommerpause entstanden sei.

Mit Genuss verfolgt der Rest der Republik die Leiden des HSV

Die Fußballrepublik verfolgt die Leiden des HSV mit Genuss. Der Klub hat viele Sympathien verspielt in der jüngeren Vergangenheit, den Abstieg hätten die meisten neutralen Zuschauer als gerechte Strafe dafür empfunden, dass es der Verein seit Jahren nicht hinbekommt, konstant Bundesliga-tauglichen Fußball zu spielen, sich einen bemerkenswerten Trainer-Verschleiß leistet und trotzdem ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein pflegt als einziger Klub, der schon immer Bundesliga spielt. Auch wenn dieser Status zuletzt nach allgemeiner Auffassung durch eine spezielle Zuneigung des Fußballgotts aufrecht erhalten worden war.

Die Niederlage in Jena legt den Verdacht nahe, dass die Hamburger nun sogar diese Verbindung gekappt und ihr Glück aufgebraucht haben. „Ich war mir sicher: Bruno Labbadia und den Dino der Liga, die zwingt man einfach nicht in die Knie“, sagte Jenas Trainer Volkan Uluc angesichts des zwischenzeitlichen 2:2-Ausgleichs in der 94. Minute. Sollte das schon wieder losgehen? Sollte sich der HSV schon wieder mit mehr Glück als Verstand retten? Nein, diesmal nicht. So sind die Aussichten für den Ligastart am Freitag beim FC Bayern finster. „Hoch werden wir nicht gewinnen“, sagte Trainer Labbadia. Dann lachte er. Immerhin: Das geht noch beim HSV.