„Ich bin doch nicht der Haller“

Große Koalition demonstriert „neue Kraft und neue Energie“. Koalitionsausschuss begnügte sich mit Allgemeinheiten. Bürgermeisterwahl von Jens Böhrnsen (SPD) gesichert. Bildung soll Priorität haben – für CDU und SPD

Bremen taz ■ Kein Zeichen von Krise der Koalition: überschwängliches gegenseitiges Lob verteilten gestern nach vierstündigem „konstruktiven Gesprächen“ die beiden Landesvorsitzenden von SPD und CDU, Carsten Sieling und Bernd Neumann. Über die Frage, ob die Koalition weitergeführt werden solle, sei überhaupt nicht geredet worden, sagte Sieling. Die Arbeit habe in freundschaftlicher Atmosphäre „sehr gut begonnen“, bemerkte Neumann und bemühte ein Zitat von Hermann Hesse: „In jedem Anfang wohnt ein Zauber.“ Er spüre eine „neue Kraft“ und „neuen Schwung“. Sieling bestätigte das ausdrücklich. Und er genoss das Lob von Neumann, dass „selten“ in Koalitionsverhandlungen „so konzentriert gearbeitet“ worden sei. Auch die CDU will nun am Dienstag Jens Böhrnsen (SPD) zum neuen Bürgermeister wählen.

Die SPD hatte ein Bekenntnis zur „Priorität der Bildung“ an den Anfang des gemeinsamen Papiers setzen wollen – die CDU tat ihr den Gefallen. In dieser Prioritätensetzung sei man völlig einig, betonte Bernd Neumann. Streit um die Investitionsquote? Keine Spur. „Ich bin doch nicht der Haller“, kalauerte Neumann und spielte auf den früheren Wirtschafts-Staatsrat und derzeitigen Weser-Report-Kolumnisten an: „Ich finde doch nicht alles gut, was Investition heißt.“ Natürlich müsse genau hingeguckt werden beim Geld ausgeben. Neumann sprach von der personellen „Zäsur“, die der überraschende Rücktritt von Henning Scherf (SPD) bedeute. Sieling wollte das Wort „Zäsur“ durchaus auch auf die Inhalte bezogen wissen, und so steht es auch in dem „Ergebnispapier“ der Gespräche: „Die dramatische Haushaltslage zwingt zu einer Zäsur …“

Worin die Zäsur genau liegen könnte, blieb aber offen. Nach dem Entwurf der SPD-Seite für das Ergebnispapier sollte der Finanzsenator aufgefordert werden, ein neues Datum als Ziel für einen „ausgeglichenen Primärhaushalt“ zu setzen – 2009 gilt unter Finanzexperten als völlig unrealistisch. Die CDU beharrte darauf, dass die Zahl 2009 in den Text kommt, „auch hier kann es Korrekturen geben“, räumte Neumann ein.

Die SPD hatte Einschnitte bei den Investitionsausgaben angekündigt. Der Umbau der Wachtstraße sei „das letzte reine Verschönerungsprojekt“, erklärte Sieling. Für so etwas sei kein Geld mehr da. Die CDU wollte ein klares Bekenntnis zu dem im Frühjahr beschlossenen Investitionsvolumen bis 2009 erreichen und noch 30 Millionen Euro mehr ausgeben. In dem Ergebnispapier heißt es nun wörtlich: „Vorbehaltlich möglicher weiterer Einsparungen auch im investiven Bereich in Konsequenz der abgestimmten Klage- und Sanierungsstrategie gilt die vom Senator für Finanzen am 26.9.2005 erstellte Fassung des Anschlussinvestitionsprogramms (AIP) als Rahmen für diesen Investitionsbereich.“ Sieling interpretiert das so, dass „weitere Einsparungen die Konsequenz sein werden“. Die zuständigen Gremien würden „von Fall zu Fall entscheiden“, sagte Neumann.

Der CDU-Bausenator hätte gern eine Liste von Investitionsprojekten vom Koalitionsausschuss abgesegnet bekommen, das aber hat die Runde schlichtweg abgelehnt. Man sei nicht der „Obersenat“, erklärte Neumann. Auf „Wunsch des Herrn Teiser“, dem Neumann-Freund und Stadtkämmerer von Bremerhaven, sind aber für die Seestadt ein paar Punkte festgeschrieben worden: In einer Protokollnotiz wird die wohlwollende Prüfung von Geld-Wünschen für Polizei, Kitas und Schulen zugesichert. Und auch die Planungskosten für die Cherbourger Straße sollen zur Hälfte vom Land übernommen werden.

Beendet wurde mit dem Ergebnispapier der Streit um die Gewoba: „Die öffentliche Hand bleibt mehrheitlicher Eigentümer der Gewoba“, legte der Ausschuss fest. Der designierte neue Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) und Carsten Sieling hatten sich im Bundestagswahlkampf darauf festgelegt, dass dies mit der SPD nicht zu machen sei.

Klaus Wolschner