„Wir sind schon Statement genug“

Sie mischen Salsa, Reggae und HipHop, mögen keine sexistischen Texte und sind momentan extrem erfolgreich: Culcha Candela begreifen Multikulti nicht als Schimpfwort, sondern als Chance für die Berliner Musikszene

taz: Sechs Wochen waren Sie jetzt auf Deutschlandtour, heute findet das Abschlusskonzert im SO 36 statt. Freuen Sie sich auf das Heimspiel in Berlin?

Chino con Estilo: Na klar! Beste Stadt, wo gibt! Es klingt hart, aber in anderen Städten wären wir so nicht zusammengekommen.

Das musikalische Erfolgsmodell Berlin ist in letzter Zeit vor allem vom Aggro-Label definiert worden. Was halten Sie von Sido?

ItchyBan: Er hat sich neulich vorgestellt, war ein netter Junge, höflich. Man muss sich ja nicht fragen, was halte ich von dem oder dem, sondern was halten wir eigentlich alle davon, dass unsere Kinder so krass auf diesen teils überzogenen Schwachsinn abfahren. Wir fühlen uns da in einer gewissen Verantwortung. Den Leuten, die uns zuhören, sagen wir andere Sachen. Wir versuchen Vorbilder zu sein.

Schwulen- oder frauenfeindliche Sprüche wird es von Ihnen also nicht geben?

ItchyBan: Nö.

Bestimmt werden Sie oft mit Seeed verglichen?

ItchyBan: Außer dass wir aus Berlin kommen, gibt es da ziemlich wenig Gemeinsamkeiten. Seeed sind eine Reggaeband mit drei Sängern, der Rest spielt Instrumente im Hintergrund. Wir machen größtenteils ganz andere Sachen. Wir sind weder HipHop, Salsa, Reggae, Dancehall noch sonst etwas, sondern eine Mischung aus vielem. Auch unsere Bühnenpräsenz sieht ganz anders aus: Wir sind sechs Rapper und ein DJ. Wir rappen auf Spanisch, Englisch, Deutsch, das machen die ja auch nicht. Es ist aber cool, wenn Leute sagen: Ihr werdet es mal so weit bringen wie die, ihr werdet mal so viel live spielen, euch werden mal so viel Leute hören, ihr seid so nett wie die – das ist alles cool, das lassen wir gelten, nur eben musikalisch nicht so.

Wie nennen Sie selbst Ihren musikalischen Stil?

Chino con Estilo: ItchyBan hat ja gerade schon die einzelnen Bestandteile so ein bisschen versucht zu umreißen. Wir selbst haben dafür versucht ein eigenes Wort zu kreieren und das heißt – der Trommelwirbel bitte – Culcha Sound.

Ihr neuestes Album heißt „Next Generation“. Inwiefern sind Sie das – die nächste Generation?

ItchyBan: Wir sind ein lebendiges Abbild der multikulturellen Gesellschaft. Oft werden wir gefragt, ob wir nicht auch in der Musik Statements gegen Rassismus setzen wollen. Da haben wir uns mal zusammengesetzt, uns angeguckt und gelacht: Wir sind selbst schon Statement genug, so wie wir aussehen. Wir gehen offensiv damit um, dass wir die nächste Generation von Deutschen hier sind. Wir leben seit Jahren in Deutschland, in Berlin, alle haben einen deutschen Pass, außer einem, der hat aber eine unbeschränkte Aufenthaltsgenehmigung. Es ist Statement genug, wie wir zusammen seit drei Jahren auf der Bühne stehen.

Larsito: Diese ganze Multikulti-Ding, das ist einfach eine natürliche Gegebenheit, wir haben uns nicht nach Hautfarben zusammengesucht, sondern einfach geguckt, wer macht coole Musik. So haben wir uns gefunden. Am Ende ist diese einzigartige Mischung entstanden, ohne dass es wirklich gewollt war.

INTERVIEW: IRENE HUMMEL

Culcha Candela spielen heute, 20 Uhr, im SO 36, Oranienstraße 190