leserinnenbriefe
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Kinder lernen durch fragen

betr.: „Kolumne: Glotz nicht so!“, taz.de vom 25. 7. 15

In Ihrem Text reflektieren Sie den Umgang mit körperlichen Behinderungen. Ich bin selbst schwerhörig und trage sogenannte Hinter-Ohr-Geräte, sodass die Behinderung für aufmerksame Menschen erkennbar ist.

Zum Thema Kinder. Kinder entdecken die Welt. Mit anderthalb bis zwei Jahren kommt die Frage: „Was hat Tante Ines im Gesicht?“ Mutter: „Das ist eine Brille.“ Kind: Warum hat Tante Ines eine Brille?“ M: „Weil sie schlechte Augen hat.“ Auf ähnliche Art und Weise lernt das Kind, was Blindenstock, Arm-/Beinprothesen, Rollator und Rollstühle bedeuten. Es ist aber zu viel verlangt, dass Eltern/Lehrer alle gefühlt tausend verschiedene Behinderungen kennen und erklären können. Ich finde es normal, dass ein Kind, das zum Beispiel bei einem Batteriewechsel bemerkt, dass ich was am Ohr trage, erkläre, was, wie, warum.

MARCO WENZEL, Halle (Saale)

Glatzenstreifen mit Knüppeln

betr.: Neu in der Hauptstadt „Bärlin!“

Ist es wirklich Montag, der 3. August 2015, 21.30 Uhr oder befinden wir uns in einer Zeitschleife? Durch Berlin-Mitte im Dichterviertel begleitet ein aufgeblasenes Polizeiaufgebot rund fünfzig „Bärgida“-Demonstranten. Die brüllen unverständliches Zeug. Hinter der Kolonne und einer abschließenden Polizeikette sichern Glatzenstreifen mit Knüppeln die Nachhut. Haben die Angst, jemand könnte den Polizeischutz rücklings durchbrechen und ihren friedlichen Demonstranten etwas Böses antun?

Vor einer Kreuzung stoppt der Zug. Aus dem Führungsfahrzeug werden per Lautsprecher die ersten Strophen des Deutschlandlieds übertragen. Die Polizei sichert die Veranstaltung. Das ist ihr Auftrag: die Demokratie sichern. Welche? Von der Etsch bis an den Belt? Man kann nur hoffen, die mutigen Tiroler und wilden Dänen kommen vorbei und geben den Hohlköpfen eins auf den Dez. Oder hat der Pazifist einen besseren Vorschlag?

Die „guten“ Berliner, Dresdner, Leipziger, Friedenstaler, und wie sie alle heißen, wollen nicht in die Puschen kommen. Die Polizei auch nicht so recht. Die Politik schaut zu. Kümmert sich um Überhangmandate, na immerhin. Außerdem müssen Nebeneinkünfte gesichert und Lobbyisten gepampert werden. Und Zeitschleifen geknüpft. Man nennt es auch Legislaturperioden.

Mittlerweile ist es 22.15 Uhr. Der Aufmarsch ist nicht mehr zu sehen. Irgendwo werden Gegenslogans skandiert, die versuchen, zwei Strophen zu übertönen. Nur zwei Strophen?

Wieso wusste niemand, den ich frage, davon, dass es heute Abend eine „Demonstration“ geben sollte, genau hier? Keine Zeitung, nicht einmal die abonnierte, regionale mit Stadtteilblatt, erwähnte ein Wort davon. Die Polizei jedenfalls war gut und umfangreich vorbereitet. Vielleicht eine schnelle Eingreiftruppe? Das wäre doch Mut machend. Aber für wen? Gegen wen?

WERNER MÜNCHOW, Berlin

Umweltgangster

betr.: „Alarm im Wasserwerk“, taz vom 2. 8. 15

Früher wurden „Brunnenvergifter“ aufgehängt! War keine gute Lösung, zeigt aber, wie wichtig die „Alten“ das Trinkwasser nahmen. Heute wird nicht einmal der Name eines „Einleiters“ (nettes Wort für eine Firma, die das Trinkwasser für Millionen bedroht) von den Wasserwerken genannt. In meinem Wortschatz nennt man solche Firmen „Umweltgangster“. Der könnte dann wohl „wirtschaftlichen Schaden nehmen“, wenn sein Name genannt wird, oder was spricht dagegen, einen Täter oder wenigstens den Punkt der „Einleitung“ zu nennen. Gut, dass da zum Ausgleich jeder „Hühnerdieb mit Migrationshintergrund“ mit Foto und nur ungenügend abgekürztem Namen nach der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft in der Zeitung steht. (Die taz ist ausdrücklich nicht gemeint!) Das ist auch für das Gerechtigkeitsempfinden und die Information der Bürger wichtiger! Sikasuu, taz.de

Plötzlich sind alle schlauer

betr.: „Ende der Wohnungsgesellschaft GSW“, taz vom 29. 7. 15

„Der damalige rot-rote Senat stand wegen seines hohen Haushaltsdefizits unter Druck“, schreiben Sie. Ein „Bankenskandal“ als faktischer Vorlauf der „Finanzkrise“ im Kleinformat, mitsamt damaliger „Risiko-Abschirmung“ über bereits damals unglaubliche Größenordnungen, mit Nachwirkung bis heute, und das in der Verantwortung der vorherigen Koalition (auch damals eine „Große“ zwischen CDU und SPD). Das war’s dann allerdings, auch mit dem Schieben der Verantwortung auf die korrupte Politik einer vorherigen Koalition.

Die Ausreden, auch die von Katrin-Lompscher von der Linkspartei (Gleiches würde ich für die „Grünen“ sagen, wenn zufällig sie verantwortlich gewesen wären), es habe nur eine Wahl zwischen „Pest und Cholera“ gegeben, entschuldigen nichts. Auch nicht, dass sie heute plötzlich alle „schlauer“ seien. Damit machen sie es sich zu einfach – zumal mitten im bereits begonnenen Berliner Wahlkampf. Was ist denn heute anders? Woher resultiert die trotz vieler Schwierigkeiten und trotz weiterhin nominal sehr hoher Schulden nunmehr etwas andere Berliner Steuer- und Ausgaben-Politik? Wieso geht es plötzlich ohne diese Privatisierung? Weil mensch auch einmal nicht jedem noch so offensichtlich sinnlosen „Trend“ hinterherlaufen oder dem Druck von fragwürdiger Seite nicht schlicht gegen alle erklärten Versprechen nachgeben kann.Das sagt sich so einfach? Es gibt auch Menschen in (politischer) Verantwortung(!), die sich nicht korrumpieren lassen. aktiver, taz.de