USA

Gegen Ende seiner Amtszeit propagiert Präsident Barack Obama die Energiewende. Doch wie realistisch sind seine ehrgeizigen Ziele?

Klimawandel, Kohle, Kernkraft

Cool down Obama plant auch einen Schlag gegen AKWs

BERLIN taz | Frankreichs Präsident François Hollande liefert die vielleicht treffendste Interpretation zu Obamas neuen Klimazielen. Sie seien ein „bedeutender Beitrag zum Erfolg der Pariser Klimakonferenz“, sprich: ein politisches Signal, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt den Klimawandel wirklich bekämpfen will.

Im Dezember soll in Frankreich ein neues, internationales Klimaschutzabkommen beschlossen werden, die USA scheinen nun endgültig mit im Boot zu sein. Selbst China hat unter Obamas Vermittlung bereits seinen Beitrag verkündet: Ab 2030 sollen die Emissionen von Treibhausgasen sinken.

In den USA ist Obamas Clean Power Plan teil diverser Maßnahmen des Präsidenten für eine weniger schmutzige Wirtschaft: Mittlerweile gibt es, ähnlich wie in der EU, Vorgaben für energieeffizientere Haushaltsgeräte, die Gebäudesanierung wird gefördert, bis 2025 dürfen neue Fahrzeuge nur noch etwa die Hälfte des heutigen Verbrauchs aufweisen. Wenn davon die Rede ist, dass die USA zum Erdölexporteur werden, dann liegt das zur Hälfte an den prognostizierten Einsparungen.

Damit will das Land bis 2025 bis zu 28 Prozent weniger Klimagase emittieren. Jedoch ausgehend vom Level von 2005, was die Ziele weniger ambitioniert macht als etwa die der EU.

Was Obama jetzt verkündet hat, bezieht sich nur auf den Energiesektor. Der soll bis 2030 32 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen, Basis ist auch 2005. Ursprünglich waren 30 Prozent vorgesehen.

Die einzelnen US-Bundesstaaten sollen dazu von Wa­shington spätestens ab 2022 geltende Vorgaben bekommen, wie viel Prozent weniger Treibhausgase ihr Stromsektor emittieren soll. Wie sie das umsetzen bleibt weitestgehend ihnen überlassen: Die Umweltbehörde EPA nennt den Ausbau erneuerbarer Energien, effizientere Turbinen in bestehenden Kraftwerken und mehr Gaskraftwerke. Die New York Times schrieb, dass die Pläne zur Schließung von Hunderten von Kohlekraftwerken führen könnte. Was vermutlich niemanden stören würde: 2011 gab es in den USA 1.400 Kohlemeiler. Laut Umweltbehörde wären im Jahr 2025 rund 20 Prozent dieser Kraftwerke älter als 60 Jahre. Selbst das Aus von fast 300 Kohlekraftwerken würde also nur schrottreife Meiler treffen.

Was in der öffentlichen Debatte bisher untergeht: Obamas Pläne sind auch ein Schlag gegen die Atomindustrie. Denn in den 1.500-Seitigen Ausführungen des Gesetzes wird Strom aus neuen Atomkraftwerken nicht mehr als Maßnahme zur Senkung des CO2-Ausstoßes angesehen – was im alten Entwurf aus dem vergangenen Jahr noch vorgesehen war. Ein Grund unter anderen: Atomkraft sei schlicht teurer als erneuerbare Energien. Ingo Arzt