Radikale Weine
von Rainer Schäfer
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Er verbreitet anziehende Aromen von Wiesenkräutern, Birne und Haselnuss, am Gaumen zeigt er eine grazile Feingliedrigkeit, trotzdem besitzt er Statur und Länge. Der trockene Graue Burgunder Kabinett vom Wilhelmshof im pfälzischen Siebeldingen wirkt weder banal noch aufdringlich.

Bei diesem Burgunder ist alles gut proportioniert. Leicht im Alkoholgehalt, elegant und bekömmlich, diese Vorzüge, sagt Barbara Roth, weise gerade deutsche Kabinettweine aus, die nicht mit Zucker angereichert werden dürfen: „Sie sind ein Alleinstellungsmerkmal unserer Weinkultur.“ Gleich vier trockene Kabinettweine füllt die Winzerin ab, vom Riesling, vom Weißen und Grauen Burgunder, dazu einen Rosé vom Spätburgunder. Damit hält der Wilhelmshof an einem Weintyp fest, der auszusterben droht. Das liege auch daran, dass der Verband Deutscher Prädikatsweingüter in seiner neuen Klassifikation das Prädikat Kabinett nur noch für restsüße Weine vorsieht. Dass viele Weinkritiker muskulösere Gewächse in ihrer Bewertungen bevorzugten, fördere zusätzlich den Niedergang der filigranen Kabinettklasse. Ein Jammer, wie Barbara Roth findet, weil der trockene Kabinett, der kernige Substanz und schwebende Leichtigkeit verbindet. Auch im Ausland werde et als unverwechselbare Spezialität aus deutschen Weinbergen geschätzt. Gelegentlich waren sogar schon Forderungen zu hören, Kabinettweine zum Weltkulturerbe zu erheben.

So weit würde die Winzerin nicht gehen, aber sie plädiert für einen bewussten Umgang mit dieser einzigartigen Weinstilistik. Sie will am trockenen Kabinett festhalten, vorerst. Aber „wie lange wir gegen den Strom schwimmen können“, wisse sie auch nicht.

Grauer Burgunder Kabinett trocken 2014, Wilhelmshof, 6,80 Euro, Bezug über wilhelmshof.de