Keiner kapiert Steiger

Wahrheit-Leser scheitern am Unmöglichen: Erklären Sie bitte den „FAZ“-Karikaturisten

Am 13. September war hier um die Lösung des Rätsels gebeten worden, auf welche Pointe der FAZ-Zeichner Ivan Steiger hinausgewollt habe, als er die Karikatur eines beim Schreiten zur Urne rund um den Kopf mit Paketschnur umwickelten Wählers veröffentlicht hatte. Im Vorfeld der Bundestagswahl war die Karikatur am 7. September in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen.

Viele Wahrheit-Leser haben sich an der Rätselaktion beteiligt. So hat Elke Birkl folgenden Lösungsvorschlag eingesandt: „Eine Anspielung auf allgemeines Wahlrecht, was heißt, dass grundsätzlich alle Staatsbürger, unabhängig von Geschlecht, Rasse, Sprache, Einkommen oder Besitz, Beruf, Stand oder Klasse, Bildung oder Konfession oder politischer Überzeugung Stimmrecht besitzen. Also auch ein Kopp, der bloß wie eine Paketschnur aussieht, kann im Besitz geistiger Kräfte und der bürgerlichen Ehrenrechte sein.“ Gut, gähn, aber wo wäre dann der Witz?

„Steiger ist Wassermann“, hat Eric Wallis gemailt, „und somit ehrlich, selbstlos, freiheitsliebend und aktiv. Er steckt voller Fantasie und ist normalerweise ruhig, doch auch zeitweise nervös und angespannt.“ Das mag ja sein, aber was hat es mit der Paketschnur auf sich?

„Der Urnengang fesselt“, schlägt Rolf Scheyer vor. Klaus Kappel vertritt die Ansicht: „In diesem Wahlkampf wurde der Wähler kunstvoll und DIN-gerecht eingewickelt, dass er blind wie Justitia den Toaster findet.“ Hmm. „Der Paktschnurkopf ist ein in Garn eingewickelter menschlicher Schädel. Die abgebildete Person wurde von einer Partei umgarnt“, vermutet, mit freundlichen Grüßen, ein gewisser Moritz alias reptiokle@soundso.de, während Benjamin Fischer in Ivan Steigers Karikaturen verschlüsselte Botschaften eines Terrornetzwerks erkannt zu haben glaubt.

Das für die Lösung des Rätsels ausgelobte Autogramm von Wilhelm Busch hat damit leider keiner der Einsender verdient, denn die Pointe von Ivan Steigers mysteriösem Paketschnurwitz harrt nach wie vor einer plausiblen und zündenden Deutung. Immer noch wissen wir nicht, was Steiger uns damit sagen will: Dass Stimmzettel getoastet gehören, wenn sie von Wählern abgegeben werden, die sich eine Paketschnur um den Kopf gewickelt haben? Dass Wähler mit einer um den Kopf gewickelten Paketschnur Gefahr laufen, ihren Toaster mit einer Wahlurne zu verwechseln? Dass Leuten mit Paketschnur um den Kopf das Wahlrecht aberkannt werden soll? Dass er selbst nicht mehr alle Tassen im Schrank hat? Oder einfach nur, dass er sich als Elder Statesman der Karikaturistengilde in der FAZ jeden Quatsch erlauben darf?

Sammeln wir also alle Kräfte für einen neuen Anlauf im Ivan-Steiger-Jahrgang 2006, der sicherlich noch brutaler und mysteriöser ausfallen wird.

GERHARD HENSCHEL