N-Wort, Binnen-I, Sternchen

Korrektes Diskriminierung schlägt sich in Sprache und im Schreiben nieder. Hilft die Benutzung anderer Wörter, anderer Zeichen?

Auf Lummerland kein Thema: Jim Knopfs Hautfarbe Foto: Augsburger Puppenshop

Erwachsenenblick

betr.: „Der normale Rassist“, taz vom 7. 8. 15

Lieber Lalon Sander, da hat jemand „Jim Knopf“ als Erwachsener gelesenen und gewertet. Ich hatte das große Glück, als Kind mit Kinderaugen dieses fantastische Buch zu lesen. Als Jim Waschen als überflüssig deklarierte, wollte ich auch schwarz sein, um so Wurzelbürste und Kernseife meiner Mutter zu entgehen. Lukas war, gewaschen oder ungewaschen (also weiß oder schwarz) immer der gleiche herzensgute Freund an Jims Seite. Das Spiel mit Namen (Pi Pa Po und Ping Pong) kannte ich auch aus meinem Leben, ich hatte einen Lehrer namens Herr Weise. Als Ping Pong Käse als verschimmelte Milch beschrieb, wurde mein erster Ekel hinterfragt, schließlich ist im Spaghettieis keine einzige Nudel drin. Seitdem probiere ich erst mal, bevor ich urteile. Dass selbst unter den fürchterlichen Drachen Rassismus herrscht, erfüllte mich mit Mitleid, und ich hinterfragte die Schwarzweißmalerei.

ARNE MATSCHINSKY, Hamburg

Herr-Ärmel-Bürger

betr.: „Der normale Rassist“, taz vom 7. 8. 15

Herr Ärmel soll nicht mehr „Neger“ sagen? Auch Kinderliteratur ist Teil des literarischen Erbes. Müssen wir das immer ändern, weil wir heute vieles (hoffentlich!) besser wissen? Wenn es uns um das Wohl unserer Kinder geht, müssen wir sie vor allem ernst nehmen auf ihrer Reise in die wirkliche Welt. Zu der gehört leider auch, dass man früher „Neger“ sagte und das abwertend meinte und dass es Menschen gibt, die das heute noch so meinen. Wie sollen Kinder erfahren können, wie Ausgrenzung sich im Leben ihrer Familien auswirkte, wenn wir selbst humanistisch angelegte Texte nachträglich zu perfekten politisch korrekten Texten korrigieren?

Michael Ende hat die Geschichten, denen Lalon Sander attestiert, dass sie antirassistisch und antifaschistisch sind, wenige Jahre nach Ende eines doktrinären Systems geschrieben, unter dem Eindruck von nachfolgenden Doktrinen und dem Kalten Krieg. Kann man einem Kind heute nicht erklären, dass das fortschrittlichere Denken von heute erst wachsen musste? Man kann ihnen erklären, dass die Herren (und Damen!) Ärmel nur durch konsequentes und mutiges Handeln dazu gebracht werden konnten, Rassismus als unmenschliche Ausgrenzung zu erkennen. Man muss die Kinder aber auch darauf aufmerksam machen, dass es solche Ausgrenzung noch gibt und dass sie die Augen offen halten müssen. Wir können Kinder klug und handlungsfähig machen. Hier braucht es aber auch Kinderbuchautoren, die ihre eigenen Geschichten zu diesem Thema schreiben. Warum sollten sie sich dabei nicht auch mit dem literarischen Erbe auseinandersetzen?

Ich bin in der DDR aufgewachsen, deshalb kann ich nicht einschätzen, ob die kritisierten Textteile in der BRD nicht doch den Alltagsrassismus bedient haben. Aber dann hätte ich bei so scharfer Kritik gern Belege dafür gelesen. In der DDR durften wir nicht „Neger“ sagen, und wir durften keine nationalsozialistischen Schriften lesen. Alltagsrassismus und Anhänger des Nationalsozialismus gab es trotzdem. In diesem Staat wurde auch nicht aufgearbeitet, aber korrigiert. Ich habe Bücher meiner Großmutter aus der Nazizeit gesehen, in denen nach 1945 die „falschen“ Wörter mit Papier überklebt waren. Ob ihr das geholfen hat, das Erlebte richtig zu verarbeiten? Es nützt uns nichts, zu polarisieren. Korrekturen an alten Texten helfen ohnehin nur ganz wenig. Und Menschen, die anders über den Umgang mit den alten Texten denken, als „weißes Herr-Ärmel-Bürgertum“ abzuwerten, auch nicht. RAYANA PIOTROWSKI, Chemnitz

So unvernünftig

betr.: „Gegen den Strich“, taz vom 8./9. 8. 15

Da wollte Ihr Autor wohl unbedingt Rassismus allerorten sehen in diesem für mich schönsten aller Kinderbücher. Ich beschränke mich auf das, was der Scheinriese Tur Tur sagt: „Eine Menge Menschen haben doch irgendwelche besonderen Eigenschaften. Herr Knopf, zum Beispiel, hat eine schwarze Haut. So ist er von Natur aus und dabei ist weiter nichts Seltsames, nicht wahr? Warum soll man nicht schwarz sein? Aber so denken leider die meisten Leute nicht. Wenn sie selber zum Beispiel weiß sind, dann sind sie überzeugt, nur ihre Farbe wäre richtig und haben etwas dagegen, wenn jemand schwarz ist. So unvernünftig sind die Menschen bedauerlicherweise oft.“

THOMAS STUCHLIK, Wolfsburg

Was fehlt

betr.: „Gegen den Strich“, taz vom 8./9. 8. 15

Bei der Diskussion über eine gendergerechte Sprache fehlt die Einbeziehung von Behinderten. So gehen beim alterstypischen Hörverlust vor allem die hohen Frequenzen verloren. Das Erkennen des Professx ist dadurch deutlich erschwert, die Schwerhörige muss sich mehr konzentrieren und kann dadurch noch weniger aktiv an der Kommunikation teilnehmen. Blinde, welche Brailleschrift nutzen oder sich Texte vorlesen lassen, sind auch von den diversen Varianten betroffen. MARCO WENZEL, Halle

Hörer_*innen

betr.: „Gegen den Strich“, taz vom 8./9. 8. 15

Ein Aspekt scheint mir völlig zu fehlen: Wie spricht man das? Eigentlich hängt ja doch „Sprache“ mit „sprechen“ zusammen, und außerdem werden ja Texte nicht nur getippt und überflogen, sondern gelegentlich auch laut vorgelesen. Wenn ich „HörerIn“ lese, sage ich „Hörerin beziehungsweise Hörer“, aber wie gehe ich mit „Hörer_*innen“ um? WINFRIED SCHUMACHER, Köln

Firlefanz

betr.: „Gegen den Strich“, taz vom 8./9. 8. 15

„Ein Dorf hat 1.000 Einwohner.“ Dass bei Personenbezeichnungen die (einfachere/kürzere) männliche Form für alle gilt, wenn Geschlechtsunterschiede irrelevant sind, ist ein Ergebnis der Sprachentwicklung. Kein Mensch außer ein paar deutschen Feministinnen kommt auf die Idee, dies als „systematische Diskriminierung der Frauen“ zu interpretieren. Ich bin immer wieder darüber enttäuscht, dass die taz den „gendersensiblen“ Firlefanz (Binnen-I) mitmacht und dem Unfug (eingestreute Sonderzeichen wie Sternchen, Unterstrich oder x) drei ganze Zeitungsseiten einräumt. LOTHAR PICHT, Sandhausen

Genderalisten

betr.: „Gegen den Strich“, taz vom 8./9. 8. 15

Die Genderalisten ticken ja ein wenig überkandidelt. Nach dem Unsinn der amtlich verordneten „Rechtschreibreform“ nun die Sternchen-, Unterstrich- oder x-Diskussion der ganz Verbissenen. Kommt runter und kümmert euch um die naheliegenden Missstände, zum Beispiel um den, dass wir eine Frau Bundeskanzler_*x haben, der die Frauenfrage am Hosenboden vorbeigeht und die dezidiert nicht um die Gleichwertigkeit und Gleichstellung der Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft kämpft.

ECKHARD MEYER, Stelle