STRESS In einem Bremerhavener Schwimmbad ist seit Kurzem Security im Einsatz. Es habe hier Ärger mit migrantischen Familien gegeben, heißt es. Ein Besuch
: Sheriffs vom Beckenrand

Illustrationen: Imke Staats

aus Bremerhaven Nele Wagner

Früher wollte Bilal unbedingt Bademeister werden, aber das klappte nicht. Heute arbeitet der 29-jährige zwar wirklich im Hallenbad, allerdings als Sicherheitskraft. Diesen Job gibt es hier im Bremerhavener „Bad 1“ erst seit gut einem Monat. Weil es vorher öfter Stress gab. Und das sorgt in der Stadt für wütende Diskussionen: „So weit ist es schon gekommen“, heißt es etwa auf Facebook.

Das Personal habe Schwierigkeiten gehabt, „die Hausordnung zu vertreten“ –so sagt es Robert Haase, Leiter der Bremerhavener Bäder. Einige Besucher seien aggressiv geworden und hätten sogar die Bademeisterinnen bespuckt.

Langsam geht Bilal am großen Becken entlang. Er kon­trolliert seinen Blick, seine Körperhaltung, seinen Gang. Gerade ist es ruhig. Eine junge Frau im Bikini entspannt sich im Wasser. Bilal gibt sich unbeeindruckt und lässt den Blick weiter schweifen. „Es ist schon manchmal merkwürdig, hier so angezogen langzugehen“, sagt er. „Aber ich habe mit vielen Gästen gesprochen und die stört das nicht. Ich mache hier einfach meinen Job.“

Das Bad liegt im Norden Bremerhavens, direkt zwischen den Plattenbauten. Der Stadtteil Leherheide gilt als Problemviertel – bekannt für hohe Arbeitslosigkeit und niedrige Wahlbeteiligung. Die Stadt versucht seit Jahren, das sozial schwache Viertel auf Vordermann zu bringen. Auch das Schwimmbad ist ein modernes Familienbad – mit Rutsche, Babyschwimmen und Dampfsauna. Drinnen ist es hell und freundlich, selbst der unvermeidliche Chlorgeruch beißt fast gar nicht.

500 Menschen finden hier Platz. Aber heute ist es nur halb voll – übersichtlich für die beiden Sicherheitsmänner Bilal und Yusuf. Bevor er seinen Aufpasser-Job antrat, habe sich der 24-jährige Yusuf schon ein bisschen Sorgen gemacht, sagt er: „Man denkt erst mal, was geht da denn ab?“ Messersteche­reien und Schlägereien hatte er im Sinn – aber so schlimm kam es dann doch nicht. Bisher habe er eigentlich kaum eingreifen müssen, erzählt er weiter: „Schon unsere Präsenz sorgt für Respekt.“

Dabei sehen Bilal und Yusuf verglichen mit anderen Sicherheitsdiensten einigermaßen harmlos aus. In Köln beispielsweise patroullieren in diesem Sommer glatzköpfige Muskelpakete in schwarzen Uniformen und schweren Stiefeln am Beckenrand. Breit gebaut sind zwar auch Yusuf und Bilal – aber das war‘s dann auch. Sie tragen einfache T-Shirts, blaue Shorts und Turnschuhe. „Das ist hier ein Ort zum Spaßhaben, deswegen wollen wir nicht zu auffällig sein“, sagt Yusuf.

In letzter Zeit sollen Gäste ins tiefe Wasser gesprungen sein, obwohl sie kaum schwimmen können. Auch sowas gehört zu den Problemen mit der Hausordnung, wegen der hier heute Security im Einsatz ist. Gerade diskutieren zwei Bademeisterinnen mit einem 15-Jährigen. Das heißt: Sie versuchen es. Doch der Junge spricht kaum deutsch. Als Yusuf auf seiner Runde vorbeikommt, winken sie ihn eilig dazu. Er diskutiert kurz auf Türkisch und der Junge gibt fürs Erste auf. Dass er tatsächlich doch schwimmen kann, wird er den Bademeisterinnen aber später noch beweisen. Dass viele der Probleme an Verständigungsschwierigkeiten liegen, sagt auch Badleiter Haase.

Aus dem Whirlpool nebenan spritzen ein paar Jungs Wasser ins große Schwimmbecken hinüber. Genau solche Aktionen sorgen für den Zoff auf Facebook: „Unter aller Sau“ hätten sich einige Familien mit Migrationshintergrund benommen, schreibt eine Mutter. Leute würden einfach so in „ihren Muttersprachen“ durch die Umkleide brüllen – und die Kinder hätten beim „Schwimmen oder entspannen im Whirlpool gestört“. Als sich ein Junge zu den Spielenden in den Pool setzt, werden die Jugendlichen sofort ruhig. Auch sein Großvater gesellt sich dazu. Warum auch nicht, fragt er mit norddeutschen Dialekt.

Währenddessen läuft bereits ein anderes Kind in Badehose auf Bilal zu und fragt, wann denn wohl der Dreier aufmacht. „In zehn Minuten“, sagt Bilal, der hier schließlich doch noch zu so einer Art Bademeister geworden ist.